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Nach dem Anschlag von Solingen und dem Erstarken der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben sich Regierung und Opposition auf die Prüfung eines noch härteren Migrationskurses geeinigt. Aus Teilnehmerkreisen des Gipfels hieß es am Abend, SPD und FDP seien bereit, die von der Union geforderten Zurückweisungen an den Grenzen mitzutragen, wenn dies rechtlich möglich sei. Dies solle nun ausgelotet werden. Die Grünen hätten sich bedeckt gezeigt, aber auch einer rechtlichen Prüfung zugestimmt. „Uns geht es um konkretes Handeln für die innere Sicherheit und um einen harten Kurs gegen die irreguläre Migration“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Ende des Treffens. Man habe sich darauf verständigt, „bestimmte Punkte, die wir vertraulich besprochen haben, rechtlich zu prüfen und dann weiter zu beraten“.
Der Druck wächst, vor den nächsten Landtagswahlen in Brandenburg am 22. September in der Migrationspolitik weitere Maßnahmen zu präsentieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach der tödlichen Attacke von Solingen Gespräche mit den Ländern und der Union angekündigt. Er selbst hatte ebenso wie Unionschef Friedrich Merz allerdings nicht an den als „Arbeitstreffen“ bezeichneten Verhandlungen im Bundesinnenministerium teilgenommen. Faeser sprach dort drei Stunden mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Justizminister Marco Buschmann (FDP), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), aber auch mit Spitzenvertretern von Opposition und Ländern wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) und dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei.
Die Union verlangt eine „sehr schnelle Reaktion“ in der Migrationspolitik
Schon in den vertraulichen Vorverhandlungen war klar geworden: Die Vorstellungen lagen weit auseinander. Bundesinnenministerin Faeser setzt vor allem auf das Sicherheitspaket, das die Ampelvertreter vergangene Woche miteinander ausgehandelt hatten. Dazu zählt, ausreisepflichtigen Asylbewerbern die Leistungen streichen zu können, das Waffenrecht für den Besitz von Messern zu verschärfen und die Kompetenzen von Bundespolizei und BKA zu erweitern. Der Union geht das jedoch nicht weit genug. Sie forderte am Dienstag besonders, jene Geflüchtete an den Grenzen zurückzuweisen, die über andere EU-Länder nach Deutschland einreisen wollten.
Sollte es hier Bewegung bei der Bundesregierung geben, würden die Gespräche kommende Woche fortgesetzt, kündigte Unions-Verhandlungsführer Frei an. „Wir werden jetzt die Frage klären müssen, ob wir bei diesem Punkt zu einer gemeinsamen Haltung kommen können“, sagte er. Die Union sei bereit, bei einer Einigung bereits in der kommenden Woche, in der es im Bundestag eigentlich um den Haushalt gehen soll, Platz dafür freizuräumen. „Es geht um Geschwindigkeit, es geht um Schnelligkeit“, sagte Frei. Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz nannte die Gespräche „sehr konstruktiv“. Sie habe den Eindruck, dass allen Beteiligten klar sei, dass jetzt gehandelt werden müsse und es keine großen zeitlichen Verzögerungen geben dürfe.
Die Kritik am Migrationskurs der Ampel ist ein scharfes Schwert
Der Vorstoß der Union könnte die Ampelkoalition vor Probleme stellen. Denn die Grünen sehen Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen skeptisch. Führende Grünen-Politiker hatten zuletzt sogar ein Aus für die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen gefordert. Auch für die CDU stellt sich mit dem Treffen ein strategisches Problem. Käme die größte Oppositionspartei nun mit der Bundesregierung überein, welche weiteren Maßnahmen in der Migrationspolitik zu ergreifen sind, würde sie ab sofort in der Öffentlichkeit mitverantwortlich gemacht werden für alles, was schiefgeht in der Asylpolitik. Auch mit Blick auf den nächsten Bundestagswahlkampf gilt das für CDU und CSU als wenig verlockendes Szenario. Denn Kritik am Migrationskurs der Ampel ist ein scharfes Schwert, auch in Landtagswahlkämpfen.
Hessens Innenminister Roman Poseck, der Verhandlungsführer der Unionsländer, hatte vor dem Treffen die Erwartungen hochgeschraubt. „Die bisherigen Vorschläge der Ampel reichen bei Weitem nicht aus“, sagte er. „Es ist zu spät, erst anzusetzen, wenn die Menschen in Deutschland sind. So wird sich an der Überforderung von Staat und Gesellschaft nichts ändern.“ Allerdings ist auch in Kreisen der Union von einem „rechtlichen Risiko“ bei Zurückweisungen an der Grenze die Rede.
Auch die Kommunen fordern schärfere Maßnahmen
Auch die Kommunen fordern in einem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, deutlich schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration. Der Deutsche Landkreistag spricht sich dafür aus, „Schutzsuchende, für deren Asylverfahren andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständig sind“, direkt an der Grenze abzuweisen. Grenzkontrollen sollten dafür ausgebaut und Leistungen für Schutzsuchende über die bisherigen Pläne gesenkt werden. Auch freiwillige Aufnahmeprogramme sollten gestoppt und der Familiennachzug ausgesetzt werden.
Aus Regierungskreisen verlautete, die Gespräche mit der Union könnten bereits Anfang der nächsten Woche fortgesetzt werden.