Dutzende Einsatzfahrzeuge, Absperrgitter, Personenkontrollen, gedrosseltes Mobilnetz: Der russische Machtapparat war darum bemüht, die Trauerfeier für den wichtigsten russischen Oppositionellen, Alexej Nawalny, zu stören. Er wurde am Freitag in Moskau beigesetzt. Nawalny war am 16. Februar unter bislang ungeklärten Umständen in einem russischen Straflager ums Leben gekommen, wo er eine lange Haftstrafe absitzen musste.
Gegen Mittag kam der Sarg in der Kirche für die Trauerfeier an. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream auf Youtube, wie Männer ihn aus einem schwarzen Transporter zogen und dann im Gleichschritt in die Kirche trugen. Hunderttausende verfolgten die Übertragung, vor der Kirche warteten Tausende Menschen teils mit Blumen in der Hand. Viele skandierten «Nawalny», «Nawalny», «Nawalny». Einige riefen auch: «Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.» Der dpa zufolge schrien sie auch «Putin ist ein Mörder!» und: «Nein zum Krieg!»
Ein Leichenwagen steht vor der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone «Lindere meine Trauer» im Moskauer Bezirk Marjino zwischen den Menschen.
(Foto: Stringer/REUTERS)
In dem Stream war auch zu sehen, wie in der Kirche der Leichnam von Blumen bedeckt im offenen Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg. Die Witwe Julija Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nehmen nicht an der Trauerfeier teil, sie weilen im Ausland und würden bei einer Einreise nach Russland riskieren, festgenommen zu werden. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.
Auf diesem vom Nawalny-Team veröffentlichten Foto erweisen ihm Angehörige und Freunde am offenen Sarg die letzte Ehre.
(Foto: Uncredited/dpa)
Die Trauerfeier fand in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone «Lindere meine Trauer» im südöstlichen Bezirk Marjino statt. Zu ihr kamen auch westliche Botschafter, darunter der Deutsche Alexander Graf Lambsdorff.
Vier Männer tragen den Sarg in die Kirche zur Trauerfeier.
(Foto: STRINGER/AFP)
Schon am Donnerstagabend waren erste Polizeipatrouillen rund um den Borissow-Friedhof im Südosten Moskaus gesichtet worden, wo Nawalny später beigesetzt werden soll. Am Freitag hat sich die Präsenz der Uniformierten noch einmal verstärkt: Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüfen Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien melden. Auch das mobile Internet sei heruntergeregelt worden. An der Kirche hing den Berichten zufolge eine Aufforderung, nicht zu filmen oder zu fotografieren.
Nawalnys Unterstützer haben vor Polizeigewalt gegen Trauernde gewarnt, nachdem bereits in den vergangenen zwei Wochen russlandweit Hunderte Menschen beim Ablegen von Blumen festgenommen wurden. Am Tag vor der Beisetzung beklagte Nawalny-Sprecherin Kira Jarmysch zudem auf der Plattform X, dass die Behörden die Vorbereitungen für die Trauerfeier weiter behinderten. So sei es noch immer nicht gelungen, einen Leichenwagen zu organisieren, schrieb sie. Die Moskauer Bestattungsunternehmen erhielten Drohanrufe von Unbekannten, die sie davor warnten, den Leichnam zu transportieren.
Viele junge Menschen sind in die Kirche gekommen, um Alexej Nawalny die letzte Ehre zu erweisen.
(Foto: Stringer/REUTERS)
Bereits zuvor hatte Nawalnys Team Druck und Erpressungsversuche vonseiten der russischen Behörden beklagt. Diese wollen sie dazu zwingen, die Beisetzung des populären Politikers heimlich abzuhalten, wie etwa Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja mehrfach sagte.