Eine längere, zuletzt quälende Suche ist vorbei: Der Nicht-Politiker Dick Schoof soll der Mann an der Spitze der neuen niederländischen Regierung werden. Er habe intensiv überlegt, ob er den Posten übernehmen solle, sagte der 67-Jährige am Dienstagnachmittag in Den Haag, nun wolle er Premier für alle Niederländer sein. Der parteilose Beamte ist Generalsekretär im Ministerium für Justiz und Sicherheit, in früheren Funktionen war er Chef der Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde, des Geheimdienstes AIVD und der Antiterrorbehörde NCTV. Als Generaldirektor der Polizei sorgte der studierte Stadt- und Raumplaner dafür, regionale Organisationen zu einer nationalen Polizei zusammenzulegen.
Er sei «froh und stolz» über diesen Kandidaten, sagte Geert Wilders, Chef der nationalpopulistischen Partei PVV. Schoof stehe über den Parteien und habe viel Erfahrung bei wichtigen Themen. Alle vier Koalitionspartner hätten sich gemeinsam auf ihn verständigt. Dilan Yeşilgöz von der rechtsliberalen VVD sagte, Schoof könne «gut verbinden und den Laden zusammenhalten». Er sei eine «ganz starke Persönlichkeit».
Wilders musste einen Kandidaten finden, der das Vertrauen aller vier Parteien hatte
Wilders, klarer Sieger der letzten Parlamentswahl, hatte vor knapp zwei Wochen ein Bündnis mit der Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC), der Bauer-Bürger-Bewegung sowie der VVD angekündigt. Die Koalition verspricht eine harte Asylpolitik, soziale Erleichterungen für die Bürger sowie eine zurückhaltende Umweltpolitik mit neuen Atomkraftwerken und stärkerer Förderung von Gas in der Nordsee. In der EU strebt sie eine Ausstiegsklausel in der Migrations- und Asylpolitik an und will finanzielle Erleichterungen für die Niederlande einfordern.
Die Suche nach einem neuen Ministerpräsidenten als Nachfolger des zurückgetretenen Mark Rutte gestaltete sich schwierig, weil NSC-Chef Pieter Omtzigt verhindern wollte, dass der Wahlsieger Wilders selbst die Regierung anführt. Der Islamkritiker und Chef der wählerstärksten Partei PVV musste daher einen Kandidaten finden, der das Vertrauen aller vier Parteien hatte und nicht zu stark polarisierte.
Ein erster Versuch mit dem rechten Sozialdemokraten Ronald Plasterk war vergangene Woche im Eklat gescheitert. Der ehemalige Innenminister zog seine Kandidatur zurück, bevor sie überhaupt offiziell verkündet worden war. Er war durch Medienberichte unter Druck geraten, wonach er im Rahmen einer Unternehmensgründung einen Wissenschaftler der Universität Amsterdam ausgenutzt haben soll.
Schoof sollte im März in Pension gehen, aber er wollte bleiben
Um solchen und anderen Unwägbarkeiten aus dem Weg zu gehen, kam zuletzt wohl nur noch eine Person ohne politisches Profil für den Premierposten infrage. Schoof war bis vor drei Jahren Mitglied der sozialdemokratischen Arbeitspartei, ohne Funktionen bekleidet zu haben. Seit 2020 ist er der höchste Beamte im von Yeşilgöz geleiteten Justizministerium. Er hatte Leitungsfunktionen in genau den Bereichen – Asylfragen und innere Sicherheit – inne, in denen das neue Kabinett das Steuer umlegen möchte.
Im März hätte er in Pension gehen sollen, bat aber um eine Verlängerung. Er habe einen großartigen Job, sagte er in einem Interview, «gerade weil er so komplex ist». Zu diesem Job gehörte es, Ruhe in das Haus zu bringen, das in den vergangenen Jahren von mehreren Skandalen geplagt gewesen war.
Ein reiner Technokrat an der Spitze der Regierung passt zum Selbstverständnis der Koalition als «extraparlamentarisches» Kabinett. Es soll etwa zur Hälfte mit Politikern anderer Parteien und Experten von außerhalb der Politik besetzt werden, mit einem eher dünnen Programm als Basis. Auf diese Weise soll dem Parlament mehr Gestaltungsraum zukommen. Die Konstruktion geht auf Forderungen von Omtzigt zurück. Als politisch unerfahrener Bürokrat läuft der künftige Premier allerdings auch Gefahr, von den Parteichefs und insbesondere der dominierenden Figur Wilders an einer kurzen Leine geführt zu werden. Gefragt, was er von dieser Aussicht halte, sagte Schoof: «Ich werde Premier, in diesem Bild erkenne ich mich überhaupt nicht.»