Wenn Friedrich Merz recht hat, dann ist die Trendwende schon eingeleitet. Dann gibt es bald wieder gute Nachrichten für die deutsche Wirtschaft und keine Schlechte-Laune-Meldungen. Der wahrscheinlich künftige Kanzler – so umständlich und vorsichtig muss man Merz derzeit noch betiteln – hat es vergangene Woche im Bundestag auf einen griffigen Satz zu bringen versucht, nicht zufällig auf Englisch formuliert. „Germany is back“, sagte Merz, als er die gigantischen Ausgabenpakete für Verteidigung und Infrastruktur rechtfertigte, die Union und SPD planen. Dass Deutschland zurück sei und nicht mehr der kranke Mann Europas, das habe er in Brüssel bei allen Gesprächen mit Vertretern anderer EU-Länder gespiegelt bekommen.
Jetzt, zu Beginn dieser Woche, zeigt sich jedoch: Die vom CDU-Chef wahrgenommenen positiven Vibes der anderen EU-Spitzenleute sind das eine, harte Konjunkturdaten sind das andere – und vermutlich wird Merz noch ein bisschen warten müssen auf gute Nachrichten für die deutsche Wirtschaft.
So hat der Industrieländer-Klub OECD am Montag seine ohnehin schon maue Wachstumsprognose für 2025 fast halbiert. Nur noch mit 0,4 Prozent Plus rechnet die Organisation. Einzig Mexiko schneidet innerhalb der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) noch schlechter ab als Deutschland. Die Probleme, die die deutsche Wirtschaft belasten, sind oft beschrieben worden: der lahmende Export, die Schwäche der Industrie, hohe Energiepreise, Bürokratie, die Krise der Autobranche, die erratische Politik der US-Regierung und die Verunsicherung der Verbraucher.
Das vergangene Woche zwischen Union, SPD und Grünen verabredete Finanzpaket ist in den Daten der OECD allerdings noch nicht abgebildet. „Wenn das Finanzpaket beschlossen würde, würde es sich sicherlich signifikant auf das Wachstum 2026 auswirken“, sagten die beiden OECD-Experten Isabell Koske und Robert Grundke der Nachrichtenagentur Reuters.
Das Paket sieht vor, dass der deutsche Staat in den kommenden Jahren mehr als eine Billion Euro zusätzlich für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben dürfte. Nach Ansicht der OECD-Konjunkturfachleute würden diese Staatsaktivitäten auch private Investitionen stimulieren. Wirtschaftsforschungsinstitute sind sich allerdings einig, dass daraus resultierende positive Wachstumseffekte sich erst mittelfristig zeigen würden.
Risiken nicht nur in der Weltwirtschaft, sondern auch im Inneren
So hat etwa das Münchner Ifo-Institut seine Prognose für 2025 am Montag sogar nach unten korrigiert, von 0,4 Prozent auf nur noch 0,2 Prozent Wachstum, unter anderem wegen der politischen Unsicherheiten, die von der US-Regierung unter Donald Trump ausgehen. „Die deutsche Wirtschaft steckt fest“, sagte Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen. Das liege vor allem an der „Transformation, an dem riesigen Umbau“, der die hiesige Ökonomie seit einigen Jahren beschäftige. Viele Reformen, etwa bei der Digitalisierung, seien liegen geblieben und die einzelnen Bürgerinnen und Bürger wüssten zudem nicht, was der Wandel der Wirtschaft für sie konkret bedeute und welche Kosten er mit sich bringe. „Den Haushalten und den Unternehmen fehlt es nicht an Kaufkraft oder an Mitteln, um zu investieren“, sagt Wollmershäuser. Das Problem sei, dass beide ihr Geld zusammenhalten, wegen der Zukunftssorgen.
Was die Zahlen für 2025 angeht, ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sogar noch pessimistischer. Es erwartet in diesem Jahr bestenfalls eine Stagnation. 2023 und 2024 ist die deutsche Wirtschaft jeweils leicht geschrumpft. Sollte es dieses Jahr erneut dazu kommen, wäre das die längste Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik.
Die Bundesregierung geht allerdings – Stand Januar – noch von einer minimalen Steigerung von 0,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. In seinem Monatsbericht für März schreibt das Bundeswirtschaftsministerium: „Die wirtschaftliche Lage ist zu Jahresbeginn 2025 weiter geprägt von hohen innen- und außenpolitischen Ungewissheiten“. Auch das Ifo-Institut sieht Risiken keineswegs nur in globalen Entwicklungen, sondern auch im Inneren. Es sei unklar, ob überhaupt und wann genau Investitionen in die Infrastruktur und in die Verteidigung fließen. „Ob sich das wirklich auf das BIP auswirkt, ist von vielen Voraussetzungen abhängig“, sagt Ifo-Konjunkturexperte Wollmershäuser. Es gebe in den Kommunen zum Beispiel ein Problem bei den Planungskapazitäten für neue Straßen und andere Infrastrukturprojekte und bei den Baufirmen ein Arbeitskräfteproblem. „Irgendjemand muss die Straße auch bauen“, sagt Wollmershäuser. Es zeigt sich hier ein altes Thema: Die Wirtschaft hasst Unsicherheit und derzeit ist eben politisch vieles noch zu unsicher.
Der wahrscheinlich künftige Kanzler muss sich gedulden. Frühestens 2026 erwarten die Wirtschaftsforscher eine nachhaltige Besserung. Genau wie die OECD sind die Experten des Ifo-Instituts dabei eher defensiv. In den 0,8 Prozent Wachstum, die sie für das kommende Jahr erwarten, sind mögliche Effekte, die von den Finanzplänen einer neuen Bundesregierung ausgehen, noch nicht eingerechnet. Erst bei der nächsten Konjunkturprognose werde man womöglich „etwas draufsatteln“, sagt Wollmershäuser.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält für 2026 ein BIP-Plus von 2,1 Prozent für möglich – allerdings unter der Bedingung, dass die von Union und SPD anvisierte Bundesregierung tatsächlich zustande kommt und ihre Ausgabenpakete durch Bundestag und Bundesrat bringt. Ob das gelingt, wird sich in dieser Woche entscheiden. Wenn nicht, dann bliebe es nach Ansicht des DIW bei 1,1 Prozent, ein Wert, der nur sehr wenig Schub für die Wirtschaft brächte.