Der Begriff „Zerschlagung“ gefällt Volker Böhm nicht, das sei „ein sehr negatives und martialisches Wort“, sagt er. „Entflechten“ ist ihm lieber, „denn das trifft es sehr gut“. Bezogen auf den schwer angeschlagenen Oberpfälzer Holz-Riesen Ziegler, den Böhm seit drei Wochen als vorläufiger Insolvenzverwalter zu retten versucht, läuft es unabhängig von Begrifflichkeiten auf ein und dasselbe hinaus.
Der Familienkonzern samt seinen knapp 3000 hauptsächlich über Nordbayern verteilten Beschäftigten und dem größten Sägewerk Europas am Stammsitz Plößberg (Landkreis Tirschenreuth) wird in den kommenden Monaten in seine Einzelteile zerlegt, die dann meistbietend an Investoren verkauft werden. Es sei denn, ein universeller Retter taucht auf, der alles in Gänze übernimmt und fortführt. Das sei theoretisch natürlich möglich, sagt Volker Böhm, aber sehr unwahrscheinlich.
Dass es mit der Ziegler Group überhaupt so weit kam, liegt außer an äußeren Einflüssen, wie der schlechten Baukonjunktur auch an einem Konstruktionsfehler. Zu heterogen und verworren ist das Firmengebilde, das Unternehmer Stefan Ziegler in den vergangenen Jahren gebastelt hat; Böhm spricht von einer „sicher in dieser Form nicht alltäglichen Gruppe“, deren Strukturen ungewöhnlich seien. Eine Mischung aus privater Vermögensverwaltung und operativen Geschäften. Zu ihr gehören Sägewerke und andere Holz-Betriebe, in denen beispielsweise Holzhaus-Module, Dämmfaserplatten oder Pellets hergestellt werden. Zur Ziegler Group gehören aber auch Logistikfirmen, Gastronomie, eine Haustechnik- und eine Ofenkeramikfirma sowie Baufirmen und solche für Heizungssysteme oder Verwaltung, die mit dem Kerngeschäft Holz bestenfalls am Rande zu tun haben. Teilweise sei verknüpft worden, wo keine unmittelbare Logik dahinter erkennbar sei, so der vorläufige Insolvenzverwalter. Mit anderen Worten: Ziegler hatte sich verzettelt.
Etwas mehr als die Hälfte der insgesamt 40 Ziegler-Gesellschaften ist nun insolvent. Das Konglomerat funktionierte nach dem Prinzip, dass alle Firmen von Gewinnen profitierten, jedoch umgekehrt auch alle etwaige Verluste tragen müssen. Von denen gab es zuletzt reichlich, vor allem im Kerngeschäft Holz und im Plößberger Sägewerk, wo die schlechte Baukonjunktur in Form sinkender Nachfrage am stärksten durchschlug. Schließlich stiegen die Konzernschulden auf einen mittleren bis höheren dreistelligen Millionenbetrag; das gesamte Konstrukt geriet dadurch in Schieflage – und die Banken zogen den Stecker.
Volker Böhm und seinem etwa 20-köpfigen Team ist es seit dem ersten Insolvenzantrag am 20. November gelungen, das Gebilde zu stabilisieren. Das hieß vor allem, jede Ziegler-Gesellschaft einzeln dahingehend zu prüfen, ob sie aktuell alleine lebensfähig ist oder nicht. Nach den zurückliegenden „turbulenten Tagen“ erwarte er nicht, dass in naher Zukunft weitere der noch nicht insolventen Ziegler-Gesellschaften in die Knie gehen, sagte Böhm. Zu denen, die nicht insolvent sind, gehören beispielsweise die Standorte in Schweden und Rumänien, wo Ziegler zwei Sägewerke und ein Werk für Rundholzverarbeitung betreibt.
Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter in den von der Insolvenz betroffenen Firmen sind über das Insolvenzausfallgeld der Bundesagentur für Arbeit für drei Monate gesichert. Insgesamt laufe der Betrieb weiter, bislang gebe es auch keine Abwanderungswelle der Beschäftigten und er plane aktuell auch nicht, Personal abzubauen, so Böhm. Allerdings müsse man in Zeiten, in denen allerorts Fachkräfte fehlen, damit rechnen, dass der eine oder andere sich einen neuen Job suche.
Im Einvernehmen mit der Gläubigerversammlung und mithilfe der Beratungsfirma PWC hat der erfahrene Insolvenzrechtler aus Nürnberg damit begonnen, vor allem die starken Einzelteile der Ziegler-Gruppe ins Schaufenster zu stellen, um Investoren anzulocken. Allen voran das riesige Sägewerk in Plössberg, die Dämmstofftochter Naturheld und die Holzhaussparte. Die Chancen, dafür Übernehmer zu finden, dürften bei allem, was zum Kerngeschäft Holzverarbeitung zählt, nicht schlecht stehen. Es gebe bereits strategische Kaufinteressenten aus dem In- und Ausland, sagte Volker Böhm, ohne diese genauer zu benennen. Der Verkauf einzelner Tochterfirmen sei natürlich eine Option, sagte er. Sinnhafter könnte jedoch die strategische Bündelung von Gesellschaften sein, deren Arbeit sich gut ergänze und verzahnen lasse. Und zwar unabhängig davon, ob sie insolvent sind oder nicht. Böhm will den stufenweisen Verkaufsprozess in den ersten drei Monaten 2025 abschließen.
Vor Ort fällt in diesem Zusammenhang immer wieder der Name Binderholz. Das Unternehmen mit Sitz in Fügen im Zillertal in Österreich ist etwa doppelt so groß wie die Ziegler Group und in Deutschland unter anderem bereits in Burgbernheim (Mittelfranken) und Kösching (Oberbayern), sowie in Brandenburg und Baden-Württemberg mit Standorten vertreten. Der Frankenpost zufolge sollen die Österreicher vor allem am Plößberger Sägewerk interessiert sein. Mit Andreas Sandner habe sich erst im Sommer ein ehedem enger Mitstreiter von Stefan Ziegler nicht störungsfrei zu Binderholz verabschiedet, schreibt die Zeitung.
Volker Böhm bereitet derweil der zu geringe Bestand an Vorräten Sorgen. Vor allem im größten Sägewerk an der Betzenmühle in Plößberg ist schlicht zu wenig Holz vorhanden, weshalb der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb dort runterfahren ließ. „Die großen Sägen laufen derzeit nicht“, sagte er. Nur Rest- und Kleinarbeiten werden erledigt, für die meisten der insgesamt 700 Beschäftigten gilt ein vorgezogener Weihnachtsurlaub. Böhm hofft, das Sägewerk nach den Feiertagen schnell wieder unter Volllast laufen zu lassen. Dafür allerdings benötigt man dringend jede Menge Holz, insgesamt angeblich hundert Lastzüge mit Baumstämmen täglich. Der Staatsforst, aber auch private Waldgenossenschaften und anderen Lieferanten wollen Plößberg weiter beliefern und tun dies zum Teil bereits. Naturgemäß erwarten sie von einem insolventen Abnehmer jedoch Garantien, damit die Ware tatsächlich auch bezahlt wird. Hier kommen die Gläubigerbanken ins Spiel, dem Vernehmen nach ein Who is who der deutschen Finanzwelt. Sie müssen dafür in Summe einen stattlichen Millionenbetrag bereitstellen. „Wir sind darüber in Gesprächen“, sagte Böhm. Sein bestes Argument dürfte sein, dass sich ein laufendes Sägewerk besser verkaufen dürfte als ein stillgelegtes.