Anfang der Woche zeigten sich die AfD-Parteichefs noch entzückt. „Dieser großartige Wahlerfolg war erst der Anfang“, meinte Tino Chrupalla zum Rekordergebnis von 15,9 Prozent bei der Europawahl. „Endlich wird jetzt mal gelacht“, frohlockte seine Co-Vorsitzende Alice Weidel. Die Leute wollten, dass die AfD Regierungsverantwortung übernehme. Binnen weniger Tage ist das öffentliche Muskelspiel nun von einer innerparteilichen Rauferei abgelöst worden. Im Ring stehen sich gegenüber der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah, die Parteichefs, Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke und der angehende EU-Abgeordnete René Aust. Unterstützer Krahs wollen Aust als „Verräter“ abserviert sehen, Höcke sieht „Falschbehauptungen oder Diffamierungen“ am Werk. Der Streit wird öffentlich in sozialen Medien ausgetragen.
Angefangen hatte es am Montag, da schloss die frisch gewählte Gruppe der 15 EU-Abgeordneten, die AfD-Delegation, Krah aus. Ihm war zuvor eine Nähe zu China und Russland vorgeworfen worden, sein Assistent im Parlament, Jian G., sitzt wegen des Verdachts der Spionage für China in Untersuchungshaft. Hinzu kam der Einsatz von Krah für den Ruf von Mitgliedern der SS im Nazi-Reich. „Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell“, hatte Krah Ende Mai gesagt. Daraufhin waren alle AfD-Europaabgeordneten auf Betreiben des französischen Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen aus der gemeinsamen ID-Fraktion in Brüssel geworfen worden.
Krah beteuert, hinter Aust zu stehen – und lässt dann seine Unterstützer auf ihn los
Krahs Ausschluss aus der AfD-Delegation soll eine erneute Zusammenarbeit der AfD mit dem RN in der ID-Fraktion ermöglichen. Statt dem Spitzenkandidaten Krah wählten die AfD-Parlamentarier René Aust zum Delegationsleiter. Krah habe nun „außerhalb der Delegation die Möglichkeit, die Vorwürfe zu klären“, ließ Aust per Pressekonferenz wissen.
So aber will Krah sich nicht abservieren lassen. Während er öffentlich beteuert, er unterstütze Aust, lässt er seine eigenen Unterstützer auf den neuen Delegationsleiter los. Der Krah-Vertraute Erik Ahrens prangerte einen „Verrat an Maximilian Krah“ durch Aust an, dieser sei „ein sehr schwacher Mann“ und „Mamas Liebling“, offenbar ein absolutes No-Go unter echten AfD-Männern. Man solle ihn weiter angreifen, damit ihm „schnell sein Spaß an der neuen Stelle“ vergehe, schrieb Ahrens. Der 29-Jährige gilt als einer der Köpfe hinter dem Auftritt von Krah in sozialen Medien, mit dem dieser regelmäßig Hunderttausende Menschen erreicht. Viele weitere in der AfD-Medien-Blase beteiligten sich an den Attacken.
Das wiederum rief Björn Höcke auf den Plan, der einflussreiche Thüringer AfD-Landeschef fordert in einer Stellungnahme vom Donnerstag, die „von Maximilian Krah initiierte, zutiefst ehrenrührige Kampagne“ gegen Aust müsse sofort eingestellt werden. Der gegen Aust erhobene Vorwurf des „Verrats“ werde durch das Schweigen von Krah „zu den Machenschaften seines Unterstützers mitgetragen“. Aust ist AfD-Vizechef in Thüringen.
AfD-Delegierte gelten als etwa so berechenbar wie eine aufgescheuchte Bullenherde
Mit Höcke aus Thüringen und Krah aus Sachsen geraten nun zwei der prominentesten Rechtsaußenfiguren der AfD öffentlich aneinander – zweieinhalb Monate, bevor in beiden Bundesländern der Landtag gewählt wird. Bisher hatten beide in Eintracht die Partei weiter nach rechts außen getrieben, Höcke hatte Krahs Wahl zum EU-Spitzenkandidaten auf dem Parteitag vergangenen Sommer in Magdeburg unterstützt.
Die Parteichefs Weidel und Chrupalla beobachten den Krawall, ohne öffentlich einzugreifen. Beide wollen auf dem für Ende Juni geplanten Bundesparteitag in Essen erneut zur Doppelspitze gewählt werden. Ein offenes Gefecht mit Krah, der bei vielen AfD-Anhängern beliebt ist, könnte ihnen dort Ärger und Gegenstimmen einbringen. Die Delegierten auf AfD-Parteitagen gelten als in etwa so berechenbar wie eine aufgescheuchte Bullenherde, spontane Kampfabstimmungen ziehen sich durch die Parteigeschichte.
Krah könnte in Essen erneut das bisher beste bundesweite AfD-Ergebnis bei der Europawahl für sich reklamieren. Er habe nach wie vor eine „hohe Popularität in der Partei“, sagte Krah dem Magazin Cicero, große Teile der Basis seien verärgert über den Umgang mit ihm. Das werde „auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben“. Aus Kreisen der AfD-Parteichefs heißt es dagegen, ohne Krah und dessen Affären hätte die AfD noch viel mehr Prozente holen können.