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Schwer bewaffnete Polizisten vor der Düsseldorfer Konzernzentrale, Dienstreisen über geheime Reiserouten: Nach Warnungen von US-Nachrichtendiensten vor einem geplanten Anschlag auf den Chef des Rüstungsunternehmens Rheinmetall gilt Armin Papperger wohl als der am besten geschützte Manager des Landes – und der am stärksten gefährdete. Das Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen kümmere sich rund um die Uhr um den Schutz des 61-Jährigen, heißt es in Sicherheitskreisen.
Am Donnerstag waren aus Russland gesteuerte Anschlagspläne gegen den Manager bekannt geworden. Ins Visier geraten war Papperger wohl aus einem Grund: Sein Konzern gilt als einer der wichtigsten europäischen Lieferanten von Panzertechnik und Artilleriemunition für die Ukraine. Vorbereitungen für ein Attentat liefen offenbar bereits, heißt es weiter.
Moskau setzt zunehmend auf „Proxys“ statt auf Agenten
So sollen deutsche Sicherheitsbehörden im Frühsommer eine Gruppe von Männern im Blick gehabt haben, die unter anderem im Umfeld der Rheinmetall-Zentrale in Düsseldorf gewesen sind und in der Nähe anderer Orte, an denen Papperger sich aufhielt. Es soll sich um Personen aus Russland und angrenzenden Staaten handeln. Deutsche Behörden hatten offenbar aber zu wenig gegen sie in der Hand, um sie festzunehmen. Insider bestätigten damit auch einen Bericht im Spiegel, demzufolge sich verdächtige Personen bereits in der EU aufgehalten haben.
Verfassungsschutz und Polizei gehen davon aus, dass russische Geheimdienste die Männer eigens für diese Operation angeworben haben. Moskau setzt bei Operationen in jüngerer Zeit immer häufiger auf solche „Proxys“, wie man diese Männer im Geheimdienstjargon nennt. Die Bundesregierung hat seit dem russischen Überfall auf die Ukraine fast 100 russische Geheimdienstmitarbeiter ausgewiesen, die in Deutschland als Diplomaten akkreditiert waren. Europaweit sind es inzwischen mehr als 400. Und für Agenten aus Moskau ist es wegen Sanktionen, härterer Grenzkontrollen und gestrichener Flugrouten deutlich schwieriger geworden, unauffällig in die EU einzureisen.
Für ein paar Hundert oder Tausend Euro engagieren Putins Geheimdienste deshalb Helfer in Nachbarstaaten oder direkt in den Zielländern, die dann im Auftrag handeln. So war es wohl auch bei zwei Deutschrussen, die der Generalbundesanwalt im Frühjahr in Bayreuth festnehmen ließ, weil sie Militär- und Industriestandorte ausgespäht und Sabotageakte geplant haben sollen. Oder bei drei Männern, die Fahndern erst vor drei Wochen in Frankfurt am Main ins Netz gingen. Sie sollen einen Ukrainer ausgespäht haben, der früher in seiner Heimat in der Armee gedient hat und inzwischen in Deutschland lebt. Er sagte den deutschen Ermittlern, dass er auf einer „Todesliste“ stehe.
Faeser warnt vor „Spionage, Sabotage und Cyberattacken“
Die Reaktionen in Deutschland über das Komplott reichen von Empörung bis Fassungslosigkeit. „Wir nehmen die erheblich gestiegene Bedrohung durch die russische Aggression sehr ernst“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Wir wissen, dass Putins Regime vor allem unsere Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den russischen Angriffskrieg unterminieren will“, warnt die SPD-Politikerin, ohne allerdings auf den konkreten Verdacht einzugehen. Die Bedrohungen reichten „von Spionage, Sabotage und Cyberattacken bis hin zu Staatsterrorismus“. Deutschland habe die Schutzmaßnahmen angesichts der russischen Bedrohung bereits hochgefahren.
Reicht das? „Russland ist ein Terrorstaat, der uns hybrid angreift: Spionage, Sabotage, Desinformation und gezielte Tötungen“, sagte Unions-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter der Süddeutschen Zeitung. „Das muss man Staatsterrorismus nennen.“ Russland trage den Krieg längst nach Europa „und greift uns an.“ Deutschland fungiere als Logistikdrehscheibe der Nato und sei mit seinen militärischen und industriellen Einrichtungen wichtig für die Ukraine-Unterstützung und stehe deshalb im Mittelpunkt hybrider Angriffe. Der geplante Anschlag auf Papperger „dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein“, sagt Kiesewetter. Die glücklicherweise vereitelten Anschlagspläne zeigten „erneut die Strategie Putins, Terror und Chaos zu stiften – auch jenseits der Ukraine“, sagt auch SPD-Fraktionsvizechef Dirk Wiese.
Führende Innenpolitiker fordern Konsequenzen. Es gehe nicht mehr um „singuläre Vorfälle“, warnt Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag. Es scheine, als gerieten „verstärkt Unternehmen aus dem Rüstungsbereich und ihr Führungspersonal in den Fokus ausländischer Nachrichtendienste“.
Von Notz kündigt Aufklärung an – auch, was die Rolle der AfD angeht
Mit Blick auf zahlreiche vergleichbare Fälle in Deutschland und Europa mahnt von Notz an, die Hintergründe aufzuklären. „Als Parlament werden wir unseren Teil hierzu leisten“, sagt er und kündigt an: „Dabei werden wir auch die Rolle der AfD nicht aus dem Blick verlieren, die Wegbereiter dieser hochgefährlichen Entwicklung ist und längst als Sprachrohr und Akteur Russlands und Chinas in unseren Parlamenten auftritt.“
Auf die Regierung wächst der Druck, Sicherheitsmaßnahmen noch zu verstärken. So sollten keine Touristenvisa mehr pauschal an Russen ausgestellt und bestehendes diplomatisches Personal weiter ausgewiesen werden, fordert Unionspolitiker Kiesewetter. Propagandaportale und Rekrutierungsportale müssten abgeschaltet werden.
Der Kreml dementiert die Anschlagspläne. Doch dass Rüstungsmanager im Ausland von russischen Diensten bedroht werden, ist nicht neu. 2015 traf es Emilian Gebrew, den Chef des bulgarischen Waffenherstellers Emco, der damals schon Waffen an die Ukraine lieferte. Gleich zweimal wurde er vergiftet. Er überlebte beide Attentate. Die Täter waren nach westlichen Erkenntnissen Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Die Wirtschaft fährt ihre Sicherheitsmaßnahmen deshalb hoch. Ein Sprecher des Rüstungszulieferers Hensoldt teilte mit, die bekannt gewordenen Pläne seien Anlass, die ohnehin hohen Sicherheitsstandards noch einmal zu prüfen.