Robert Habeck überlässt nichts dem Zufall, auch nicht den Weg zur Werkshalle. Den legt er, einmal quer über das VW-Gelände in Emden, mit dem Elektroauto zurück. Ein „Super-Fahrzeug“, findet der grüne Wirtschaftsminister. Keine Motorgeräusche habe er gehört, nichts. „Ich wollte gar nicht wieder aussteigen.“ Die Botschaft ist eigentlich schon klar, aber Habeck sagt es vorsichtshalber noch einmal: „Das hier ist die Zukunft.“ Deutschland müsse an dieser Zukunft arbeiten, statt die Vergangenheit zu konservieren.
Am Freitagmorgen ist das Volkswagen-Werk in Emden Station einer zweitägigen Tour des Ministers durch den Norden. Seit in dem Konzern selbst Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen zur Debatte stehen, sind die Beschäftigten hier ohnehin verunsichert. Doch seit Donnerstag steht auch noch die Zahl von 30 000 Stellen im Raum, die der Konzern in Deutschland abbauen könnte, das Manager Magazin hat das berichtet. Und Habeck plagt, neben der Angst um den Industriestandort, vor allem eine Sorge: Dass mit dem Autokonzern auch der Umstieg zur Elektromobilität ins Schlingern kommt. „Wir haben einen Kurs eingeschlagen, und diesen Kurs sollten wir einhalten“, sagt Habeck. Ihn wieder infrage zu stellen, schaffe letztlich Investitionsruinen. „Alle, die wieder einen Zickzackkurs herbeireden, sollten sich überlegen, was sie tun.“
Es geht auch um den Klimaschutz im Verkehr schlechthin
Das dürfte auch an die Adresse des Koalitionspartners FDP gehen. Die wirbt schon seit Monaten dafür, die Klima-Vorgaben für die Autoindustrie zu schleifen, die sogenannten Flottengrenzwerte. Verbunden mit hohen Strafzahlungen sollen sie die Autohersteller dazu bringen, mehr Elektroautos und spritsparende Modelle zu verkaufen. FDP-Chef Christian Lindner warnte diese Woche vor einer „Kernschmelze für eine unserer Schlüsselindustrien“, sollte die geplante Verschärfung im kommenden Jahr in Kraft treten. Dann soll der Flottengrenzwert von derzeit 115 Gramm Kohlendioxid je Kilometer um 15 Prozent sinken, also auf etwa 94 Gramm. Dieser Plan ist seit vielen Jahren bekannt, und erreichen lässt er sich nur mit größeren E-Auto-Flotten, die den Schnitt drücken. Weswegen hinter der Krise bei Volkswagen nun noch ein ganz anderer Kampf dräut: der um den Klimaschutz im Verkehr schlechthin.
Für kommenden Montag hat Habeck deshalb die Automobilindustrie zu einem „Austausch“ geladen, der wohl eher ein virtueller Krisengipfel wird. Denn auch der Auto-Verband VDA würde die Klima-Vorgaben gerne noch abschwächen – also das, was Habeck um jeden Preis verhindern will. Am Freitag verbreitet der Verband „Zehn Punkte für eine klimaneutrale Mobilität“, Punkt eins: Klimaschutz gern, aber nicht so. Zwar stehe die Industrie hinter dem Klimaabkommen von Paris. Die CO₂-Flottenregulierung, erlassen vor 15 Jahren, sei „nicht mit hinreichenden politischen Maßnahmen unterlegt und so nicht zu erfüllen“, klagt der VDA. Es brauche schnell bessere Rahmenbedingungen. Auch die Bewertung, ob die Flottenziele im nächsten Jahr erreicht werden, solle flexibel getroffen werden – sprich: die Industrie nicht überfordern.
So ähnlich hatte das die VDA-Chefin Hildegard Müller dem Wirtschaftsminister schon am Mittwoch mitgegeben, bei dessen Besuch auf der Nutzfahrzeug-Messe IAA Transportation in Hannover. Die Themen sind bei Lastwagen ähnlich wie bei Autos. „Strafzahlungen drohen“, warnte sie. „Wir wollen, dass auch realistisch gesehen wird, dass die Geschwindigkeit, die von der Wirtschaft verlangt wird, jetzt auch von der Politik geliefert wird.“ Die Branche sei in Teilen im Sinkflug. Habeck hatte auch dort schon beschworen, den Kurs nicht zu ändern. Aber: „Kurshalten heißt nicht dogmatisch durchziehen.“ Auf dem Weg zum klimaneutralen Verkehr müsse man auch dazulernen können. „Aber es heißt, dass man die prinzipiellen Regelungen nicht dauernd infrage stellt.“
Zumindest aber sagt er in Emden zu, weitere Förderungen für Elektroautos zu prüfen, die dann auch nicht so abrupt enden sollen wie zuletzt. Bei genauem Hinsehen rechne sich ein Elektroauto aber auch schon jetzt, sagt er – und klingt dabei, als hätte er Punkt zehn des VDA-Programms längst verinnerlicht. „Das Vertrauen in die Elektromobilität muss grundsätzlich gestärkt werden“, steht dort zu lesen. „Dazu gehört eine aktive Positivkommunikation.“