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Rosenheim: Richter verdonnert Hausbesetzer zu Strafaufsatz – Bayern

by Marko Florentino
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Ja, was ihnen der Staatsanwalt da vorwarf, das hätten sie schon gemacht. Die drei Angeklagten, eine 19-Jährige und zwei junge Männer im gleichen Alter, waren geständig. Aber eigentlich wollten sie den Prozess am Rosenheimer Amtsgericht gern selbst für eine Art Anklage nutzen. Sie haben deshalb mit ihrem Geständnis auch eine Erklärung abgegeben, warum sie im vergangenen April jenes Haus in der Rosenheimer Innenstadt besetzt und welche politischen Ziele sie mit der Aktion verfolgt hätten.

Der Richter ließ sie eine Weile gewähren, doch am Ende wollte er die Debatte lieber schriftlich weiterführen. Neben je 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit trug er den drei Angeklagten jeweils eine fünfseitige Strafaufgabe auf. Die Themen sind durchaus anspruchsvoll.

Mit einfachen Aufsätzen, wie sie bei geringeren Vergehen von Jugendlichen in der Justiz durchaus üblich sind, wird es da nämlich nicht getan sein, und schon dar nicht damit, zwanzigmal «Ich darf kein Haus besetzen» an die Tafel zu schreiben. Diese Art von Aufgabe entspräche im konkreten Fall kaum den erzieherischen Aspekten, die das Jugendstrafrecht eben auch berücksichtigt sehen will. Die drei Angeklagten waren zur Tatzeit alle gerade volljährig, einer von ihnen geht noch zur Schule, zwei haben inzwischen ein Studium begonnen. Und argumentieren wollen sie ja offenbar auch.

Also verlangt der Richter zwei der Angeklagten einen populärjuristischen Aufsatz ab zum Thema «Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Eigentumsgarantie – warum unsere Verfassung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Hausbesetzungen zur Durchsetzung politischer Ziele nicht erlaubt». Der Dritte muss das übergeordnete Problem vergleichend angehen: «Bezahlbaren Wohnraum schaffen – was die Parteiprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien dazu vorsehen», lautet das Thema für ihn.

Nach welchen Maßstäben der Richter die Aufsätze bewerten wird, ist offen. Noten wird er kaum vergeben. Stattdessen stellte er den Angeklagten in Aussicht, bei Gelingen doch noch ausführlicher mit ihnen über das Thema zu diskutieren – dann aber wohl ohne das viele Publikum im Gerichtssaal. Denn die drei Angeklagten sind keine einsamen Streiter. Sie hatten auch vor Gericht etliche Unterstützer dabei, die ihnen am Ende der Verhandlung applaudierten.

Schon während der Besetzung im vergangenen Jahr hatte sich eine größere Gruppe linker Aktivisten unter dem Motto «Die Häuser denen, die drin wohnen» zu einer Demonstration vor dem ehemaligen Hotel versammelt. Den drei Angeklagten ging es bei all dem offenkundig nicht um Wohnraum für sich selbst. Dass sie in das Gebäude eindrangen, wertet die Justiz als Hausfriedensbruch. Zumindest im Haus haben sie zunächst aber gar niemandes Frieden gestört, denn das Hotel stand schon eine ganze Weile leer. Damit sie dann selbst ein bisschen länger drinbleiben konnten, haben sie an der Treppe und in einer oberen Etage noch ein paar Stahlseile gespannt – als Hindernisse für die Polizei, womit sie sich laut Gericht noch des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht haben. Dass die Polizei zur Räumung anrücken würde, war auch klar, denn die drei Hausbesetzer zündeten noch einige Rauchbomben und hängten Transparente aus dem Fenster.

Mit dem Urteil hat es die ganze Gruppe keineswegs aufgegeben, teils langjährigen Leerstand von Häusern bei einem gleichzeitig auch in Rosenheim stetig zunehmenden Wohnungsmangel anzuprangern. Rund drei Dutzend Menschen versammelten sich nach der Verhandlung zu einer neuerlichen Demonstration und zogen dann zu einem weiteren leer stehenden und angeblich frisch besetzten Haus. Dort entfernte die Polizei dann aber nur ein Transparent, ohne weitere Besetzer anzutreffen.



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