Der Knall in Dresden war fast so laut wie der in Berlin. Im Bund flog am Mittwoch die Ampelregierung auseinander, in Sachsen waren bereits einige Stunden zuvor die Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD geplatzt – unter ähnlichem Getöse und ebenso unter gegenseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfen.
Auf der einen Seite stand das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das die Gespräche aufgrund unüberbrückbarer Differenzen in der Friedens-, Migrations- und Finanzpolitik überhaupt erst für gescheitert erklärt hatte. Auf der anderen Seite traten die Führungskräfte von CDU und SPD am Mittwoch gemeinsam vor die Presse – eine Konstellation, die andeutete, wie es in Sachsen weitergehen könnte: Eine Minderheitsregierung von Christ- und Sozialdemokraten dürfte nun die wahrscheinlichste Option sein. Koalitionen mit der AfD und den Linken schließt die CDU aus.
Eine solche Minderheitsregierung wollte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eigentlich unbedingt vermeiden. Thüringen galt ihm als mahnendes Beispiel, da dort der linke Regierungschef Bodo Ramelow jedes Vorhaben einzeln verhandeln musste. „Kann ich nicht empfehlen“, sagt Ramelow nun. Kretschmer, der sich gleichsam überrascht und enttäuscht über das Aus der Gespräche mit dem BSW zeigte, hatte deren Parteigründerin die Schuld für das Ende der Gespräche gegeben: „Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so die Beine stellt, ist keine gute Entwicklung.“
Wer würde eine Regierung ohne eigene Mehrheit tolerieren?
Sachsens SPD-Chef Henning Homann erneuerte am Tag nach dem Knall seine Kritik an der „Wagenknecht-Partei“. Diese habe „taktische und parteipolitische Interesse über das Wohl der Menschen gestellt“, schrieb Homann auf X. Ein schneller Erfolg bei der Bundestagswahl sei Wagenknecht wichtiger als konkrete Verbesserungen in Sachsen: „Das ist absolut verantwortungslos“, so Homann. Zugleich lobte er die Arbeit der sächsischen BSW-Verhandler, die an guten Ergebnissen ehrlich interessiert gewesen seien. „Die SPD Sachsen ist weiter bereit, Verantwortung zu übernehmen“, endet sein Statement.
Bleibt die Frage, welche Partei eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD tolerieren würde. Um auf eine Mehrheit im Landtag zu kommen, reichen die Stimmen der Grünen allein nicht aus. Ohnehin scheinen diese nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, Kretschmer nach all den Kränkungen im Wahlkampf beizuspringen. Für die politische Lage im Land trage der Ministerpräsident die Hauptverantwortung, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert: „Es ist an ihm, nun eine Lösung für diesen Schlamassel zu finden.“
Kretschmer hatte sich am Dienstag zwar mit AfD-Landeschef Jörg Urban zu einem vertraulichen Gespräch getroffen, aber danach klargemacht, dass er eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei weiter kategorisch ausschließt. Die hatte sich nach einem Aus der ins Auge gefassten „Brombeerkoalition“ aus CDU, SPD und BSW offenbar bereits Hoffnung gemacht, mit den Christdemokraten zusammenarbeiten zu können und sich sogar mit Forderungen nach Neuwahlen auffällig zurückgehalten. Die Regierungsbildung liege weiter in der Hand der CDU, ließ sich Urban mitteilen. Die AfD sei immer gesprächsbereit: „Die Brandmauer muss weg.“ Doch innerhalb der Bundes-CDU hatte bereits Kretschmers Treffen mit Urban zu erheblichen Unmut geführt.
Und das BSW? Auch in der Opposition wolle ihre Partei mit CDU und SPD im Gespräch bleiben, kündigte die BSW-Landesvorsitzende Sabine Zimmermann an. Allerdings ließ sie offen, ob das BSW eine CDU-geführte Minderheitsregierung unterstützen und Kretschmer zum Ministerpräsidenten wählen würde. „Die Frage werden wir dann beantworten, wenn es soweit ist“, so Zimmermann. Der Preis dafür dürfte hoch sein. Denn eine andere Option bleibt Kretschmer eigentlich nicht.