Das waren noch Zeiten, in denen Piraten eine Schiffstruhe voll zusammengeraubter Dublonen vergruben und eine Karte mit einem „X“ in der Mitte malten. Anhand dieser hofften sie irgendwann zurückzukehren, um sich mit dem Truheninhalt zur Ruhe zu setzen. Das Problem dabei war, dass diese Freibeuter wie seefahrende Eichhörnchen waren und fast nie zu ihrem Schatz zurückfanden. Der legendäre Captain Kidd soll zum Beispiel einen Schatz vergraben haben, der mehr als 300 Jahre nach seinem Tod noch immer nicht wieder aufgetaucht ist.
Ganz so lange hat die Suche nach Chouette d’Or in Frankreich nicht gedauert, aber einfach war auch die nicht. 1992 hatten der Autor Max Valentin und der Illustrator Michel Becker die „Goldene Eule“ versteckt. Das zur gleichen Zeit erschienene Buch der beiden, „Auf der Suche nach der Goldenen Eule“, enthielt elf Rätsel, deren Lösung zum Versteck der Vogelskulptur führen sollte. Darunter waren Sprachspiele, kartografische Chiffren, historische Anspielungen, astronomische Angaben und mathematische Denksportaufgaben.
Im Laufe von drei Jahrzehnten versuchten Zehntausende sich an der Auflösung. Es gab Onlineforen für sogenannte „chouetteurs“und zwischendurch sogar ein Gerichtsverfahren, das Becker gegen die Familie des 2009 verstorbenen Autors Valentin anstrengte, um den genauen Verbleib des vergrabenen Vogels zu erfahren, denn den Umschlag mit den Lösungen hatte der Autor aufbewahrt.
Am Donnerstag wurde eine Nachricht auf der offiziellen Website der Eulen-Jagd gepostet: „Grabt nicht weiter!“ Es folgte die Bestätigung, dass die Eule in der Nacht ausgegraben worden sei – beziehungsweise eine Bronzereplik des eigentlichen Vogels. Den hatte Becker in Verwahrung, denn er war schon 1993 umgerechnet 300 000 Euro wert gewesen. Der Finder oder die Finderin wird demnächst das Original erhalten.
Die „chouetteur“-Community bleibt etwas melancholisch zurück. Einer von ihnen postete, er habe „ein paar Tränen vergossen“. Und das wahrscheinlich weniger, weil ihm der wertvolle Fund entgangen ist. Sondern weil das Spannende an einer Schatzjagd doch immer die Suche selbst ist.
Weitere Folgen der Kolumne „Bester Dinge“ lesen Sie hier.