In Belgrad ist schon wieder Wahlkampf. Nachdem es in der serbischen Hauptstadt keinem der politischen Lager gelungen ist, mit den Wahlergebnissen vom 17. Dezember eine Koalition zu bilden, werden die Bürgerinnen und Bürger erneut zu den Urnen gerufen. Den gesetzlichen Fristen zufolge muss die Neuwahl zwischen dem 28. April und dem 2. Juni abgehalten werden; Präsident Aleksandar Vučić sagte am Wochenende, er bevorzuge einen möglichst frühen Termin: Es sei «die logischste Option, sofort zu den Wahlen zu schreiten».
Aus Sicht der Opposition war das – mal wieder – eine Grenzüberschreitung von Vučić, der als Präsident gar nicht über den Wahltermin zu entscheiden habe. Es passte allerdings in das Muster, das sich bereits durch den Wahlkampf vor den landesweiten, vorgezogenen Parlaments- und Kommunalwahlen am 17. Dezember gezogen hatte. Obwohl Vučić selbst gar nicht zur Wahl stand, war er in den weitgehend regierungsnahen Medien wochenlang nahezu omnipräsent, um seine Partei, die Serbische Fortschrittspartei (SNS), zu unterstützen. Wahlbeobachter von der Nichtregierungsorganisation CRTA kritisieren die Abstimmungen im Rückblick als «nicht frei und fair»: So seien staatliche Institutionen missbraucht worden, um Parteiinteressen zu stützen; die Regierungspartei habe auf die Weise «unrechtmäßige Vorteile» erlangt.
Es habe Druck auf öffentliche Angestellte gegeben, sagt die OSZE
Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Der Wahlkampf sei «vom amtierenden Präsidenten dominiert» gewesen – und gekennzeichnet von «verhärteter Polarisierung, aggressiver Rhetorik, persönlicher Herabsetzung und hetzerischer Sprache». Es sei zudem zu Vorfällen gekommen, bei denen «Druck auf öffentliche Angestellte» ausgeübt und «öffentliche Ressourcen missbraucht» worden seien.
Auch kritisieren die OSZE-Berichterstatter, die serbischen Behörden hätten es versäumt, Vorwürfen von «großangelegter Wählermigration» nachzugehen. Solche Vorwürfe hatte etwa CRTA detailliert erhoben: Demnach seien Zehntausende Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes – und sogar aus den Nachbarländern Bosnien-Herzegowina und Montenegro – systematisch in die Hauptstadt gebracht worden, um sich dort auf Basis falscher Wohnsitz-Angaben in die Wählerlisten einzutragen.
Trotz solcher Manipulationen hatte es das Regierungslager in der Hauptstadt nicht geschafft, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Nachdem die Frist am 3. März abgelaufen ist, muss nun in Belgrad neu gewählt werden. In einer im Fernsehen übertragenen Rede am Sonntagabend sagte Vučić, er fordere das Innenministerium auf, die «Empfehlungen» der OSZE-Wahlbeobachter zu berücksichtigen. Zugleich betonte er, es habe bei der Entscheidung für Neuwahlen «keinen Druck aus dem Ausland» gegeben.
Das Oppositionsbündnis «Serbien gegen Gewalt» (SPN) veröffentlichte am Montag eine Liste von Forderungen für die geplante Neuwahl. So müsse ein parlamentarisches Gremium gebildet werden, das den Ablauf des Urnengangs überwache; auch sollten bei einer Kommunalwahl nur Wähler zur Abstimmung zugelassen werden, die in der jeweiligen Gemeinde seit mindestens sechs Monaten ihren Wohnsitz hätten.
Ein Restaurantbesuch löst Diskussionen aus
Unterdessen sorgte ein Foto für Diskussionen, das das kosovarische Nachrichtenportal RKS veröffentlichte: Es zeigt den serbischen Botschafter in den USA, Marko Ðurić, an einem Restauranttisch zusammen mit Milan Radoičić, einem einflussreichen Politiker und Geschäftsmann, der im September zugegeben hatte, einen Terrorangriff (den er «Verteidigungsoperation» nannte) im Norden Kosovos organisiert zu haben. Radoičić wird von Interpol gesucht und steht unter US-Sanktionen.
Ðurić, der als möglicher zukünftiger Regierungschef Serbiens gehandelt wird, sprach von einer «Negativkampagne»; er habe die «sehr öffentlichen Kontakte, die ich bei meiner Arbeit habe, nie verheimlicht oder mich dafür geschämt». So habe er sich auch schon mit kosovo-albanischen Anführern getroffen, die wegen «unbeschreiblicher Kriegsverbrechen gegen mein Volk» angeklagt seien.