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Streit ums Lieferkettengesetz: In Brüssel wächst die Wut auf die Bundesregierung – Politik

by Marko Florentino
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Vor acht Wochen war noch Jubelstimmung. Am Ende einer dieser langen Brüsseler Nächte schien Lara Wolters ihr größter Erfolg in dieser Legislaturperiode sicher. Die niederländische Sozialdemokratin führte aufseiten des EU-Parlaments die Verhandlungen über die europäische Lieferkettenrichtlinie. Am Morgen des 14. Dezember war der Kompromiss mit der spanischen Ratspräsidentschaft geschafft. «Ein großer Schritt, um Menschen über Profite zu stellen» sei das, verkündete Wolters. Schließlich soll die Richtlinie europäische Firmen verpflichten, auch bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutz zu achten, jedenfalls ab einer bestimmten Unternehmensgröße.

An diesem Freitag könnte ihre jahrelange Arbeit zunichtegemacht werden, wenn die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten so wie geplant über diesen Kompromiss abstimmen. Die Mehrheit im Rat der EU wackelt, weil Deutschland sich enthalten muss – die FDP hat sich gegen das Gesetz gestellt, und die Ampel hat damit keine gemeinsame Linie. Von Berlin bis Brüssel hat sich die Aufregung über diesen Schritt in den vergangenen Tagen hochgeschaukelt. «Was die FDP jetzt macht, hat nichts mit einer inhaltlichen Debatte zu tun», sagt Wolters der Süddeutschen Zeitung. «Das ist ein unverantwortliches Verhalten einer deutschen Regierungspartei.» Durch die Abkehr von dem gefundenen Kompromiss setze Deutschland seinen Einfluss und seine Glaubwürdigkeit in Europa aufs Spiel.

Unionspolitiker bezeichnen die Blockade der FDP als «PR-Gag»

Nun hatte die Bundesregierung im Fall des Lieferkettengesetzes früh deutlich gemacht, dass sie nur zustimmen werde, wenn das Ergebnis kleine und mittlere Unternehmen «nicht überfordert». Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schätzt das anders ein als seine Kabinettskollegen. Vor wenigen Wochen hatte sich das FDP-Präsidium klar gegen die Richtlinie ausgesprochen, und die deutsche Enthaltung im Rat steht seit Dienstag fest.

In einem Interview mit der FAZ mahnte Buschmann angesichts der aufgeheizten Debatte zur Sachlichkeit. «Der vorliegende Vorschlag ist unpraktikabel für Unternehmen», sagte er. «Wir dürfen Unternehmen nicht mit einer überbürokratischen Regulierung fesseln, die zusätzlich auch handwerklich schlecht gemacht ist.» Dabei weiß er alle großen deutschen Wirtschaftsverbände auf seiner Seite. Grundsätzlich befürwortet Buschmann aber eine europäische Lösung. Er sei «für einen frischen Start in der Sache nach der Wahl des Europäischen Parlaments».

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler geht noch einen Schritt weiter. Der SZ sagte er, Deutschland würde sich mit einer Zustimmung zu dem Gesetz in Europa «unglaubwürdig und lächerlich machen». Schließlich habe man frühzeitig und unmissverständlich auf mittelstandsfreundliche Regeln gepocht. Über die Position der FDP könne sich deshalb «niemand ernsthaft wundern».

Bei Vertretern der Union im Europaparlament mischen sich Genugtuung und Empörung. Sie hatten die Lieferkettenrichtlinie stets kritisiert und halten sie in der jetzigen Form für inakzeptabel. «Die Blockade der FDP ist ein reiner PR-Gag», sagt Daniel Caspary, Co-Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Parlament. Die deutsche Enthaltung sei «wie so oft nichts Halbes und nichts Ganzes». Für Deutschlands Ansehen sei das ein Armutszeugnis.

Der Schaden sei «erheblich», sagt ein Grüner aus Luxemburg

Letzteres ist der Bundesregierung selbst offensichtlich bewusst. Am Mittwoch meldete sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) aus den Ferien zu Wort – mit einer Botschaft, die nur an die eigene Regierung gerichtet sein kann. «Wenn wir unser einmal in Brüssel gegebenes Wort brechen, verspielen wir Vertrauen», mahnte sie. Baerbocks Parteifreundin Steffi Lemke, die Umweltministerin, lässt ihre Position gleich auch auf Englisch verbreiten. «Ich bedauere, dass innerhalb der Bundesregierung bisher keine Einigung zur Zustimmung möglich war», sagt Lemke, «obwohl zentrale Änderungswünsche aus Deutschland in Brüssel berücksichtigt wurden.» Es soll allen klar werden, dass da nicht Deutschland als Ganzes ausschert.

Aber der Schaden ist da. «Und er ist erheblich», sagt etwa der luxemburgische Grünen-Politiker Claude Turmes. Sowohl als Abgeordneter als auch als Minister war er viele Jahre lang an Brüsseler Entscheidungsprozessen beteiligt, erst für das Parlament, dann im Rat. In fortschrittlichen Länderallianzen sei Deutschland oft ausschlaggebend gewesen, schon wegen seines Stimmengewichts. Nun werde das progressive Lager geschwächt. Im konkreten Fall habe Europas Gesetzgebung auch weltweiten Einfluss. «Das schwächt die EU als globalen Akteur», sagt Turmes.

Stattdessen wird mittlerweile auch in Berlin registriert, dass sich Ratspräsidentschaften nicht mehr auf die Stimme aus Deutschland verlassen. Vorsichtshalber suchen sie nach Mehrheiten auch jenseits des größten Mitgliedslandes. Das allerdings auf Kosten von Zugeständnissen, die Gesetzeswerke nicht zwingend besser machen. Manchmal, so heißt es, führten sie sogar zu mehr Bürokratie.



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