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Nach dem rassistischen Gegröle mehrerer ihrer Party-Gäste haben die Betreiber der betroffenen Bar auf Sylt ihr Verhalten zum Zeitpunkt des Eklats verteidigt, inzwischen aber rechtliche Schritte eingeleitet. „Hätte unser Personal zu irgendeinem Zeitpunkt ein solches Verhalten mitbekommen, hätten wir sofort reagiert. Wir hätten umgehend die Polizei verständigt und Strafanzeige gestellt. Das haben wir mittlerweile tun können“, schrieben die Betreiber des bekannten Lokals „Pony“ im Nobel-Urlaubsort Kampen in der Nacht zu Samstag auf Instagram. Die besagten Personen seien identifiziert und gemeldet worden.
„Dieses zutiefst asoziale Verhalten dulden wir nicht. Haben wir nie und werden wir nie. Deshalb gehen wir jetzt mit allen Mitteln dagegen vor“, teilten die Betreiber mit. Man sei immer noch geschockt und zutiefst bestürzt. „Rassismus und Faschismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft.“

:Champagner, Party und offener Rassismus
Rechte Parolen, Nazi-Gesten – und das alles ganz entspannt beim Feiern im elitären Kreis: Wie ein Partyvideo von der Insel Sylt das ganze Land in Aufruhr versetzt.
Auf einem nur wenige Sekunden langen Video, das am Donnerstag viral gegangen war und zu Pfingsten entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen zur Melodie des mehr als 20 Jahre alten Party-Hits „L’amour Toujours“ des italienischen DJs Gigi D’Agostino rassistische Parolen grölen. Scheinbar völlig ungeniert und ausgelassen singen sie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Ein Mann macht eine Geste, die an den Hitlergruß denken lässt. Von den Umstehenden scheint sich niemand daran zu stören. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen.
Habeck: „Widerliche Pöbeleien“ wie auf Sylt dürfen keinen Platz haben
Vizekanzler Robert Habeck äußerte sich bestürzt über das rassistische Gegröle. Die Szenen seien verstörend und absolut inakzeptabel, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wer so rumpöbelt, ausgrenzt und faschistische Parolen schreit, greift an, was unser Land zusammenhält.“ Mit Blick auf die Feiern zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes sagte Habeck, Deutschland habe es geschafft, zu einer starken Demokratie zu werden, die auf Respekt und Pluralität gebaut sei. „Das zu schützen, ist unsere Aufgabe. Solche widerlichen Pöbeleien dürfen keinen Platz haben.“
Auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz verurteilte das Video scharf. „Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor, das ist doch auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären“, sagte er am Samstag bei einem Programm-Parteitag der CDU Brandenburg in Potsdam zur Landtagswahl. „Das ist an keiner Stelle mehr irgendwo zu rechtfertigen oder zu erklären, was da geschehen ist. Das ist völlig inakzeptabel, dass so etwas stattfindet.“
Am Freitag hatten sich bereits Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) zu Wort gemeldet. Scholz bezeichnete die Parolen als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“. Faeser sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wer Nazi-Parolen wie ,Deutschland den Deutschen, Ausländer raus’ grölt, ist eine Schande für Deutschland.“
SPD zieht Insta-Post zurück, Gigi D’Agostino äußert sich
Die SPD wollte gegen das Partygegröle zudem mit einem Instagram-Post Front machen – stieß aber vor allem auf Unverständnis und Kritik und korrigierte sich schließlich. Mit Bezug auf die dort gerufenen Parolen hatte die Partei auf der Plattform unter schwarz-rot-goldenem Banner ursprünglich geschrieben: „Deutschland den Deutschen, die unsere Demokratie verteidigen.“ Nach einer Vielzahl negativer Reaktionen wurde der Post aber gelöscht. Die Partei bat um Entschuldigung.
DJ Gigi D’Agostino äußerte sich ebenfalls. In einer Mitteilung am Samstag gab er, dass es in seinem Song ausschließlich um Liebe geht. Es gehe um „ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet“. Zentral sei zudem die Freude über die Schönheit des Zusammenseins. Auf den Vorfall auf Sylt ging er in der Mitteilung nicht ein. Er betonte, dass er nicht in den sozialen Medien unterwegs sei.
Rassistische Gesänge auch auf Schützenfest in Niedersachsen
Auch der Club „Rotes Kliff“ im Nobelort Kampen berichtete von einem „Rassismus-Vorfall“ zu Pfingsten. Die betroffenen Personen seien des Clubs verwiesen worden und hätten jetzt Hausverbot, schrieben die Betreiber auf Instagram.
Doch Sylt ist kein Einzelfall. Schon in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Vorfälle, bei denen zu dem Lied Nazi-Parolen gerufen wurden – etwa in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Am Freitag wurde außerdem bekannt, dass es ebenfalls an Pfingsten in Niedersachsen zu einem ähnlichen Fall kam. Auch auf dem Schützenfest in Löningen nahe Vechta wurden rassistische Parolen gegrölt, auch zu „L’amour Toujours“. Zeugen, die das Geschehene gefilmt hatten, zeigten den Vorfall bei der Polizei an. Auch in diesem Fall ermittelt nun der Staatsschutz.
Der Schützenverein Bunnen distanzierte sich auf Instagram von dem Vorfall. Der Verein sei vielfältig und heiße jeden willkommen. Der Vorfall solle noch weiter aufgearbeitet werden.
Expertin sieht Normalisierung rechtsextremer Inhalte
Aus Sicht der Expertin Pia Lamberty zeigt das Sylt-Video mit den rassistischen Parolen eine Normalisierung rechtsextremer Inhalte in der Gesellschaft. „Ohne dass es irgendeine Form von Widerspruch gibt, werden die sozialen Normen einfach gebrochen“, sagt die Co-Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz untersucht. „Menschen können ohne Scheu in der Öffentlichkeit extreme Parolen äußern.“ Der Song „L’amour toujours“ sei mittlerweile immer mehr mit den rassistischen Parolen verknüpft, sagt Lamberty. „Das macht ja auch was im Gehirn.“ So schafften Rechtsextreme eine Akzeptanz solcher Parolen in der breiten Gesellschaft.
Für die Cemas-Expertin verdeutlicht der Fall: „Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem, das man in Ostdeutschland sieht oder bei Menschen, die ein geringeres Einkommen haben, sondern auch bei höheren Schichten.“ Das Bedrohliche für Betroffene sei vor allem die strukturelle Macht, die diese Personen potenziell einmal ausüben könnten. Das Video zeige: „Rassismus geht auch von Menschen aus, die an Universitäten studiert haben oder in Managementpositionen stehen.“ Rechtsextremismus und rassistische Einstellungen seien etwas, was man in der gesamten Gesellschaft finde. Von Rassismus Betroffene könnten nach Lambertys Ansicht Orte, an denen wie im aktuellen Fall unwidersprochen rassistische Äußerungen getätigt werden, langfristig meiden.