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Syriens neuer starker Mann plant Wahlen erst in vier Jahren – Politik

by Marko Florentino
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Syrien neuer starker Mann hat der Forderung nach baldigen Wahlen eine Absage erteilt. In einem TV-Interview mit dem saudischen Sender Al-Arabiya sagte der Ex-Dschihadist Ahmed al-Scharaa, man könne wohl erst in vier Jahren wählen lassen. Al-Scharaa, der derzeit eine Übergangsregierung führt, begründete dies damit, dass zuerst eine neue Verfassung geschrieben und eine Volkszählung abgehalten werden müsse. Allein die Ausarbeitung eines Grundgesetzes würde drei Jahre erfordern, behauptete er.

Beides ergibt auf den ersten Blick Sinn: Wie schwierig es ist, direkt nach dem Sturz eines totalitären Regimes wie dem der Assad-Familie freie Wahlen auszurufen oder eine Verfassung ohne breite gesellschaftliche Debatte zu geben, hatte sich nach dem „Arabischen Frühling“ in mehreren Staaten gezeigt. Hinzu kommt die äußere Situation. In Teilen Syriens herrscht auch nach dem Untergang des Assad-Regimes Krieg: Entlang der türkischen Grenze kommt es zu Gefechten zwischen syrischen Kurden und verschiedenen von der Türkei unterstützten Milizen. Zudem steht Ankaras Armee selbst bereit für eine Offensive, in der sie die mit den syrischen Kurden verbundene türkische Kurdenmiliz PKK zerschlagen will.

All das erklärt aber nicht den langen Vorlauf von vier Jahren für Wahlen. Andere Staaten haben nach Transformationsphasen in wesentlich kürzerer Zeit eine Verfassung erarbeitet. Auch eine Volkszählung sollte sich trotz der hohen Flüchtlingszahlen in Syrien mit modernen technischen Mitteln in kürzerer Zeit als drei oder vier Jahre ausführen lassen.

Al-Scharaas Argumentation wirkt schlüssig, aber er klammert Wichtiges aus

Auffällig ist, dass Al-Scharaa in dem Interview ankündigte, die Syrer würden bald Verbesserungen in den öffentlichen Dienstleistungen sehen. Möglicherweise will er dem Unmut über einen Mangel an politischer Teilhabe durch rasche Befriedigung der elementaren Bedürfnisse der Bürger entgegentreten: Dies würde für Ruhe in dem in Teilen völlig zerstörten Land sorgen, und zugleich könnte sich das die von ihm gebildete Übergangsregierung vor Wahlen zugutehalten.

Al-Scharaa, der ein bescheidendes und zurückhaltendes Image pflegt, handelt schnell und entschlossen. Kritik an seiner vorläufigen Regierung wies er zurück: „Die aktuellen Ernennungen waren zwingend für die derzeitige Periode und zielen nicht darauf ab, irgendjemanden auszuschließen.“ Al-Scharaas Fahrplan für Syrien dürfte aber vor allem die säkularen Syrer und die Minderheiten verunsichern. Denn damit würden die islamistisch ausgerichteten Gruppierungen rund um Al-Scharaa und seine islamistische HTS-Miliz für diese Zeitdauer das Sagen haben.

Syrien ist ein multikonfessionelles Land, das während der fünf Jahrzehnte dauernden Assad-Diktatur eher säkular ausgerichtet war. Minderheiten wie die Christen oder auch die Assad politisch über Jahrzehnte unterstützenden Alawiten fürchten nun eine Zwangsherrschaft der sunnitischen Muslime, die die Bevölkerungsmehrheit stellen und zudem mit Leuten wie Al-Scharaa von ausgewiesenen Islamisten geführt werden.

Das Interview wirft also die Frage auf, was Syriens neuer Mann politisch will. Seine Argumentation wirkt schlüssig und passt zu seinem staatsmännischen Auftreten. Er klammert aber die wichtigsten Fragen aus – etwa die nach einer belastbaren Machtbeteiligung der Minderheiten oder einer umfassenden juristischen Aufarbeitung der fünf Jahrzehnte der Assad-Diktatur.

Seine Haltung gegenüber Russland bleibt weiter unklar

Der Ex-Dschihadist ist schwer durchschaubar. Er kämpfte unter seinem Nom de Guerre Abu Muhammad al-Dschaulani im Irak und in Syrien. Er war dann Kommandeur der Al-Nusra-Front, die als Dschihadisten-Miliz zu al-Qaida zählte. Später wurde er in Nordsyrien der politische Führer im islamistisch ausgerichteten Quasi-Emirat Idlib. Dort hatte er mithilfe der Türkei, Katars und offenbar Saudi-Arabiens ein von Diktator Assads Syrien quasi unabhängiges Staatswesen für bis zu vier Millionen im Land vertriebene Syrer errichtet. Seine später in Hayat Tahrir al-Scham (HTS) umbenannte Miliz vereinigte sich mit anderen Dschihadisten- und Rebellengruppen. Al-Dschaulani bildete dann eine „Errettungsregierung“ für Idlib in Nordsyrien.

Die internationale Gemeinschaft steht Al-Scharaa zurückhaltend gegenüber. Die USA und Europa sind dem Islamisten wegen seiner Rolle beim Sturz des Assad-Regines verpflichtet. Man sieht aber, dass seine politischen Vorstellungen kaum dem entsprechen dürften, was im Westen von einer neuen syrischen Regierung gesellschaftspolitisch erwartet wird. Auch seine Haltung gegenüber Russland bleibt offen.

Moskau hatte seit 2015 unter Assad Truppen und Flugzeuge auf zwei wichtigen Militärbasen in Syrien stationiert. Russland war neben Iran und der libanesischen Hisbollah der wichtigste Unterstützer des Assad-Regimes. In dem Arabiya-Interview sprach Al-Scharaa aber nicht von einem baldigen Abzug der Russen von ihren beiden einzigen großen Militärbasen in Nahost: Das ist einmal der syrische Hafen Tartus, wo U-Boote gewartet werden können. Der zweite Stützpunkt ist die nahe Luftwaffenbasis in Hmeimim. Die beiden Stützpunkte sind die Grundlage für Russlands geopolitische Macht in der Region und bis tief hinein nach Afrika.

Al-Scharaa sagte zu der Frage der russischen Militärpräsenz in Syrien: Man teile strategische Interessen mit dem zweitmächtigsten Staat der Erde: „Wir wollen nicht, dass Russland Syrien in einer Art und Weise verlassen muss, die die Beziehungen zu diesem Land schädigt.“  Weitaus verhaltener sind seine bisherigen Avancen gegenüber den USA: Al-Scharaa forderte die sofortige Aufhebung der US-Sanktionen: „Wir hoffen, dass die nun antretende Trump-Regierung nicht die Politik ihrer Vorgängerin fortsetzt.“



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