Table of Contents
Am Ende ging es doch schnell: Paetongtarn Shinawatra, 37, wurde am Freitag vom Parlament in Bangkok zur jüngsten Premierministerin Thailands gewählt, mit 319 von 493 möglichen Stimmen. Am Donnerstagabend hatten sich die Spitzen der Pheu-Thai-Partei und ihrer zehn Koalitionspartner auf sie als Kandidatin geeinigt, die Mehrheit war also beschafft, noch bevor der entscheidende Tag anbrach. Doch dann wurde nach der Parlamentseröffnung erst mal debattiert, ob man vor der Wahl nicht doch noch debattieren müsste.
Paetongtarn verfolgte das außerhalb des Regierungsgebäudes in der Parteizentrale am Bildschirm, denn bislang war sie nicht mal Parlamentarierin gewesen. Zwar hatte sie die Pheu Thai im Wahlkampf 2023 hochschwanger angeführt, doch die Partei wurde nur Zweitplatzierte, was man entweder der jungen Parteichefin ankreiden konnte – oder dem riesigen Erfolg der Reformpartei Move Forward zuschreiben.
Der bislang regierende Premier wurde vom Verfassungsgericht des Amtes enthoben
Was folgte, war ein selbst für die politischen Verhältnisse in Thailand bizarrer Vorgang. Der Senat, der noch von der scheidenden Militärregierung eingesetzt worden war, ließ den Wahlsieger durchfallen, die Pheu Thai konnte schließlich mit einer Reihe von kleinen, teilweise bei den Wahlen abgestraften Koalitionspartnern eine Regierung bilden. Allerdings nicht mit Paetongtarn Shinawatra an der Spitze, sondern mit dem Immobilienmagnaten Srettha Thavisin als Premierminister, der am Mittwoch, nach nicht mal einem Jahr, vom Verfassungsgericht seines Amtes enthoben wurde.
Dass nun Paetongtarn an die Spitze des Landes gewählt wurde, war also einerseits überraschend, andererseits aber konsequent, denn sie hatte den Wahlkampf immerhin bis zur Geburt ihres zweiten Kindes geführt.
Sie besuchte diverse Eliteschulen und studierte ein Jahr in Großbritannien, danach stieg sie ins Familienunternehmen ein und kümmerte sich um die Eröffnung von Luxushotels. Sie hat also Wahlkampf- und Auslandserfahrung, was sie schon mal besser qualifiziert als viele ihrer Vorgänger.
Tochter und Vater gelten als Kontrahenten der alten Wirtschaftselite und des königstreuen Militärs
Ihr Vater, Thaksin Shinawatra, 75, war vom Polizisten zum milliardenschweren Medienunternehmer aufgestiegen und 2001 schließlich zum Premierminister Thailands gewählt worden. Er gilt als Populist, der sich mit der alten Geldelite des Landes angelegt hat. 2006 wurde er vom Militär abgesetzt und musste ins Exil gehen. Doch er behielt seine Partei aus dem Ausland im Griff. Seine Schwester Yingluck, Paetongtarns Tante, wurde ebenfalls Premierministerin und wiederum 2014 abgesetzt.
Danach regierte das Militär in verschiedenen Formen bis zu den Wahlen im vergangenen Jahr. „Keiner von uns will das mehr, richtig? Keiner von uns will mehr Putsche, nicht wahr?“, hatte Paetongtarn Shinawatra im Wahlkampf gesagt. Der Jubel, der sie bei diesen Auftritten begleitete, galt teilweise sicher noch ihrem Vater, doch Paetongtarn selbst ist ebenfalls eine ausgesprochen populäre Figur im Land, mit mehr als einer halben Million Follower auf Instagram. Sie hat im Wahlkampf mehr die jungen, städtischen Wählerinnen und Wähler angesprochen, auch wenn diese dann überwiegend die deutlich progressivere Move Forward gewählt haben.
Paetongtarn Shinawatra und ihr Vater gelten eigentlich ebenfalls als Kontrahenten der alten Wirtschaftselite und des königstreuen Militärs, das könnte ihr noch Probleme bereiten.
Haben sich die Shinawatras hinter den Kulissen mit ihren Widersachern abgesprochen?
Die Ereignisse der vergangenen Tage legen außerdem den Verdacht nahe, dass der Burgfrieden zwischen dem alten Establishment und Thaksin Shinawatra gebrochen ist. Erst im August vergangenen Jahres war der Ex-Premier nach jahrelangem Exil wieder nach Thailand zurückgekehrt, verbrachte eine Nacht im Gefängnis und durfte dann aus „gesundheitlichen Gründen“ nach Hause gehen.
Am selben Tag wurde der von ihm unterstützte Kandidat Sretta Thavisin zum Premierminister gewählt, vermutlich eine gemeinsame Anstrengung ehemaliger Feinde, um die eigentlich siegreiche Move Forward an der Machtergreifung zu hindern.
Die Frage ist nun also, ob sich die Shinawatras hinter den Kulissen mit ihren Widersachern abgesprochen haben. Denn vorbei am mit dem Militär im Verbund stehenden Verfassungsgericht, das zuerst die Move Forward zur Auflösung verurteilt und dann den Premierminister seines Amtes enthoben hat, kann man in Thailand nicht regieren, egal, wie undemokratisch diese Vorgänge sind. Das haben schon große Teile der Shinawatra-Familie feststellen müssen. Gleichzeitig sind die Herausforderungen im Land groß. Die Wirtschaft schwächelt, die Reformen, die Srettha angestoßen hat, sind erst einmal alle wieder vom Tisch.
Die stärkste Kraft im Parlament ist außerdem weiterhin die neu gegründete „People’s Party“, die vergangene Woche aus der aufgelösten Move Forward hervorgegangen ist und immer noch über 143 Sitze verfügt. Sie ist bei den jungen Wählerinnen und Wählern nach wie vor sehr populär. „Wir müssen versuchen, das Land demokratischer zu machen“, hatte Paethongtarn Shinawatra ebenfalls im Wahlkampf versprochen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie sie das umsetzen möchte.