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Tierpfleger in Zoos: Fehlende Trauerkultur und emotionale Belastung – Wissen

by Marko Florentino
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Einfacher ist es, wenn das Tier ein berühmter Gorilla war, so wie Bobby, der am 30. März 1928 als erster seiner Art in den Zoologischen Garten Berlin eingezogen war. Nachdem er am 1. August 1935 an einer Blinddarmentzündung gestorben war, schuf ein Bildhauer eine Granitstatue, der noch heute jeder Zoobesucher begegnet. Und nahezu in echt sieht ihn jeder, der seine Dermoplastik im Museum für Naturkunde besucht. Bis heute findet sich sein Bild in den Datenbanken. Ein Gedenken ist leicht möglich.

Doch damit steht Bobby ziemlich allein in der Welt der Zoos. In der Regel enden verstorbene Zootiere in der Tierkörperbeseitigungsanstalt, manchmal werden sie gar verfüttert. Damit geht es nicht allen Zoobediensteten gut, wie ein Forschungsteam um Nichole Louise Nageotte im Fachmagazin Human-Animal Interactions jetzt berichtet. Das folgern sie aus einer Befragung von rund 1700 US-amerikanischen Zooangestellten, von denen allerdings nur 182 antworteten, was möglicherweise zu einer gewissen Schlagseite bei der Analyse geführt hat. Diejenigen jedenfalls, die die Fragebögen ausgefüllt haben, beschwerten sich über die fehlende Trauerkultur in den Zoos.

„Wir sind doch verbunden mit den Tieren“, mahnt ein freiwilliger Pfleger in der Studie, es sei verletzend, wenn man dann per Mail über einen Todesfall im Gehege informiert werde. „Wir sind doch keine Roboter, wir brauchen Zeit, um damit zurechtzukommen“, wird ein anderer dort zitiert. Gewünscht werden Auszeiten, Zuwendung, Anteilnahme, was es aber nur in einigen Zoos gibt.  „Zoo-Professionelle und -Freiwillige sind aufgrund von Tierverlusten häufig einer erheblichen emotionalen Belastung ausgesetzt, doch die strukturierte organisatorische Unterstützung bei der Verarbeitung von Trauer ist nach wie vor begrenzt“, resümiert Nichole Nageotte, Hauptautorin der Studie in einer Mitteilung ihrer Universität. Besonders hart sei es, wenn etwa ein Tier eingeschläfert werden musste, selbst, wenn damit sein Leiden beendet wurde.

„Vor 20 oder 30 Jahren hätte man eine solche Aussage noch als neurotisch eingestuft“

In vielen Zoos fehle eine angemessene Trauerkultur, schreiben die Forscher. Immerhin berichteten einige Pfleger über emotionale Unterstützung durch Kollegen, kleine Trauerrituale im Pausenraum. Und manchmal sei es hilfreich, einfach ein anderes Pelztier mit einem pochenden Herzen einfach ein paar Minuten in den Armen zu halten.

Ob diese Erkenntnisse aus den USA sich einfach auf Deutschland übertragen lassen, bezweifelt allerdings Bianca Ebeler vom Vorstand des Berufsverbandes der Zootierpfleger. Dabei gebe es auch hier „immer mal wieder Tierpfleger, die sehr emotional davon mitgenommen sind, sich von einem Pflegling verabschieden zu müssen“. Hilfreich sei, dass zumindest in deutschen Zoos Tierpfleger, Tierärzte und Verwaltung eng zusammenarbeiten, wenn etwa über die Einschläferung eines Tieres entschieden werde. Es gebe eine berufsbedingte Grundvernunft, dass Euthanasie manchmal das Mittel der Wahl sei, „Tieren Schmerzen und Leiden zu ersparen“.

Der enge Austausch zwischen den Pflegern spanne zudem eine Art emotionales Schutznetz. Zudem sei der Lebensabend von Tieren ein Abschied auf Raten. „Hier verarbeiten wir schon viel für den späteren Abschied und bereiten uns auf das Unausweichliche vor, so gut es geht“, sagt Ebeler. Allerdings stelle auch sie fest, dass die jüngere Generation der Tierpfleger erkennbar emotionaler mit dem Thema umgehe.

Offen sein für die Traurigkeit der Pfleger

Vielleicht spiegelt sich hier der Zeitgeist in der Mensch-Tier-Beziehung, wie ihn der Tierethiker Peter Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover seit Jahren erforscht und darüber mit seiner Mitarbeiterin Marion Schmitt ein Buch geschrieben hat („Nicht nur Dein Tier stirbt“). „Die Trauer um Tiere wird überall ernster genommen“, sagt der Philosoph – bei Tierärzten, im Versuchslabor, im Zoo, natürlich auch bei den Hunden, Katzen und Kaninchen in Familien. „In einer unserer Studien haben über 90 Prozent der Befragten gesagt, dass sie ihr Haustier als vollwertiges Familienmitglied akzeptieren, was auch immer das bedeuten mag“, sagt Kunzmann. „Vor 20 oder 30 Jahren jedenfalls hätte man eine solche Aussage noch als neurotisch eingestuft.“

Doch das Gegenteil sei der Fall. Die Trauer um Tiere sei nicht sozial gestört, sondern nicht zuletzt Ausdruck einer auch zunehmend wissenschaftlich fundierten Einsicht, dass die Tiere an sich uns mit ihren Kognitionen und Emotionen näher stehen als lange Zeit gedacht.

Zugleich müsse man akzeptieren, dass jeder Abschied vom Tier unterschiedlich verlaufe, sich auch nicht nach Arten unterscheiden lasse, als ob der Hund oder die Katze wichtiger sei als das Meerschweinchen.  So sei das auch im Tierpark denkbar: „Da erlebt ein Pfleger über Jahre das Werden und Sterben im Zoo, und beim 43. Erdhörnchen packt ihn plötzlich die Trauer“, sagt Kunzmann.

Nichts sei dann blöder als ein Spruch wie „Profis heulen nicht“, so der Ethiker. Vielmehr sollten gerade auch Führungskräfte in Zoo und Labor dann offen sein für die Traurigkeit der Pfleger. „Sinnvoll wäre es, wenn dann Rituale für den Abschied bereitstünden, damit nicht jeder selbst welche erfinden muss.“

Das wäre wohl ganz im Sinne der Autoren der neuen Studie in Human-Animal-Interaction. Natürlich kann man nicht jedem Flamingo oder Erdhörnchen ein Denkmal erstellen wie dem Gorilla Bobby. Aber, so schlagen sie vor, der toten Tier lasse sich auch gedenken durch ein paar persönliche Fotos an der Pinnwand, einen Pfotenabdruck, ein Stück Pelz oder eine Feder.



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