Eine Schiebetür öffnet sich. Zu einem Aufzug? Nein, zu einem gelben Würfel, der in einer pink gefärbten Mondlandschaft steht. Aus dem Behälter treten sechs oder sieben Menschen offensichtlich unterschiedlicher Herkunft, deren Geschlecht auf höchst unsubtile Weise unklar bleibt. Sie alle tragen einen Gesichtsausdruck, als seien sie traurig, desinteressiert und kurz davor, sich diskriminiert zu fühlen. Ihre Kleidung – rot, pink, gelb, mit Puscheln an den Füßen oder Wülsten um den Bauch – wirkt für den Laien wie etwas, das jenseits einer Fashion Show noch nie ein Mensch in freier Wildbahn getragen hat. Die Ästhetik dieses 30-Sekunden-Clips brüllt und hämmert: DI-VER-SI-TY! Worum es hier überhaupt geht: um den Auftakt einer neuen Kampagne der Automarke Jaguar. Und die sozialen Netzwerke drehen angesichts dieser als woke und links empfundenen Kampagne zuverlässig hohl. Ein Auto taucht in dem Clip übrigens nicht auf.
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Nun handelt es sich nur um Werbung, und weder die virtuellen Mistgabelträger noch das Tugendstreberklischee von einer Zeitgeistkampagne müssen mehr als ein Achselzucken wert sein. Ein kleines Lehrstück steckt womöglich doch darin: Der Vorgang lässt sich als aktuelles Beispiel für ein verbreitetes Phänomen lesen, das Verhaltensforscher um Arvid Erlandsson von der schwedischen Universität Linköping im Fachjournal Personality and Social Psychology Bulletin beschreiben. Demnach können politische Assoziationen die Bewertung an sich neutraler Konsumprodukte prägen, im Guten wie im Schlechten. Wenn also Vertreter einer verhassten Partei eine bestimmte Schokolade mögen, wird die Süßigkeit für die Gegenseite mit hartbitterem Beigeschmack aufgeladen. Lieben hingegen die eigenen Leute das Naschwerk, steigt es in der Gunst.
Negative Assoziationen haben einen größeren Effekt als positive
Die Teilnehmer der Studie gaben zunächst Auskunft über ihre politischen Präferenzen, indem sie eine persönliche Rangliste der acht im schwedischen Parlament vertretenen Parteien erstellten. Anschließend mussten sie Kleidung sowie Schokolade bewerten oder angeben, welcher wohltätigen Vereinigung – darunter Ärzte ohne Grenzen, der WWF und andere – sie Geld spenden würden. Informierten die Forscher die Probanden darüber, dass Vertreter der von ihnen am wenigsten geschätzten Partei ein Produkt mochten oder für eine Charity gespendet hatten, wirkte sich das negativ auf deren Bewertung aus. Mochten hingegen Anhänger der bevorzugten Partei die Produkte, stiegen diese im Ansehen – allerdings in etwas geringerem Ausmaß und nicht in allen Fällen.
Besonders ausgeprägt war der Effekt, wenn sich die Probanden beobachtet fühlten, insbesondere von Leuten aus dem eigenen Lager. Dahinter stecke also Imagepflege als ein wesentlicher Faktor, so die Forscher. Auch als Konsumenten signalisieren Menschen durch ihre Entscheidungen Zugehörigkeit zu Gruppen oder ihre Weltanschauung, was am Ende auf das Image mancher Produkte abfärbt. Wenn sich Firmen also in Werbeclips auf politisch aufgeladene Botschaften einlassen, sollten diese wohl zu ihrer etablierten Zielgruppe passen. Ob wohl vor allem gender-nonkonforme Fashion People mit leerem Blick Autos der Marke Jaguar kaufen?