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Umfrage an der CSU-Basis: Kritik an der Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag – Bayern

by Marko Florentino
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Mit den Stimmen der AfD erlangt die Union im Bundestag eine parlamentarische Mehrheit in einer Abstimmung um eine zentrale Frage. Ist das legitimes politisches Handeln? Oder ein Tabubruch? Die Süddeutsche Zeitung hat sich an der CSU-Basis umgehört.

„Ich seh’s kritisch und verstehe auch nicht, warum man das jetzt so zum Wahlkampfthema hat machen müssen“, sagt der Schlierseer Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer, der sich im kommenden Jahr für die CSU um das Amt des Miesbacher Landrats bewerben will. In der Migrationspolitik müsse selbstverständlich dringend etwas geschehen, und auch die innere Sicherheit sei von größter Bedeutung. Ihm wäre es aber lieber gewesen, diese beiden Themen nach der Bluttat von Aschaffenburg nicht „hoppla hopp“ zu vermischen und so Asylbewerber unter Generalverdacht zu stellen, denn „das ist nicht richtig“. Deswegen dürfe man Aschaffenburg auch nicht sofort „zum Anlass nehmen, sich der AfD zu bedienen“, sagt Schnitzenbaumer. „Wir werten die AfD so nur auf.“ Nach Schnitzenbaumers Empfinden steht Kanzlerkandidat Merz dadurch „jetzt eigentlich nur noch für einen harten Kurs in der Asylpolitik. Und sonst?“ Viel wichtiger wäre es aus Schnitzenbaumers Sicht, wieder mehr Gewicht auf die Wirtschaftspolitik zu legen, um den Wohlstand im Land zu erhalten. Denn es sei vor allem die Angst vor Wohlstandsverlusten, weshalb sich so viele Wähler extremen „Protestparteien“ wie der AfD zuwendeten. „Die demokratischen Kräfte der Mitte müssten da eigentlich mehr zusammenhalten.“

Stefan Bosse, Oberbürgermeister von Kaufbeuren, hätte „es nicht so auf die Spitze getrieben“. Er verstehe den Impuls, Wählerinnen und Wählern zu zeigen, dass weder SPD noch Grüne substanzielle Veränderungen in der Migrationspolitik wollen. Insofern habe er es gerade nach dem schrecklichen Vorfall in Aschaffenburg als richtig empfunden, Initiative zu ergreifen nach dem Motto: „Zeigt, wie ernst ihr es meint.“ Bosse hätte es am Mittwoch aber nicht zur Abstimmung kommen lassen. „Ich war auch der Meinung, es wird noch abgebrochen.“ Es hätte seiner Ansicht nach auch so gereicht, allen vor Augen zu führen, dass SPD und Grüne nicht mitgehen, dass stattdessen die Union bereit wäre für Veränderungen. So hätte man vorführen können, dass man das aber eben nicht mit den Stimmen der AfD wolle. „Ich bin jemand, der klar sagt, mit der AfD dürfen wir nicht marschieren. Wir dürfen dieser Partei keine Möglichkeit geben, sich zu präsentieren.“

Rosemarie Egelseer-Thurek, Stadträtin in Erlangen, sagt: „Ich bin langsam verzweifelt.“ Warum? „Wir stecken in einem Dilemma. Und ich weiß nicht, wie wir da rein geraten sind.“ Kürzlich wollte in Erlangen ein AfD-Mann im Stadtrat Goebbels zitieren, die anderen sind aufgestanden und gegangen. Genau richtig sei das gewesen, so müsse man das machen. Und natürlich höre sie nun Leute, die nach der Bundestagsmehrheit mithilfe von AfD-Stimmen sagten: Eigentlich hätten sie bei der Bundestagswahl die Union wählen wollen – jetzt aber würden sie das nicht mehr tun. Die aber seien in ihren Gesprächen in der Minderheit. Auch Egelseer-Thurek ist überzeugt: „Wir dürfen unser Denken und Handeln nicht von der AfD abhängig machen!“ Das aber tue man, mache man das Abstimmungsverhalten von dieser Partei abhängig. Ihr Respekt vor Friedrich Merz sei in den vergangenen Tagen insofern sogar größer geworden. Der habe sicher sehr genau gewusst, was da auf ihn zukommen werde an Gegenwind. Er habe den Schritt – wie sie findet: im Sinne der Sache – trotzdem gewagt: „Davor lüpfe ich den Hut.“

Für Renate Schön, Erste Bürgermeisterin im schwäbischen Wildpoldsried, geht die aktuelle Diskussion am Kern des Themas vorbei: „Ich verstehe die Hysterie nicht ganz, wenn ich die Meinung in der Bevölkerung zum Thema Migrationsbewegung wahrnehme.“ In Gesprächen höre Schön immerzu, dass viele Menschen Angst vor einer zu starken Migrationsbewegung und illegaler Zuwanderung haben. „Ich sehe in der Bevölkerung den starken Wunsch nach einer Änderung der Asylpolitik und die klare Aufforderung an die Politik in diesem Bereich Entscheidungen zu treffen.“ Die Bürgermeisterin hätte sich daher den Mut und die Entschlossenheit der demokratischen Mitte gewünscht, von SPD und Grünen, einer geänderten Asylpolitik zuzustimmen. Der Union jetzt stattdessen eine Zusammenarbeit mit der AfD vorzuwerfen, hält sie für nicht legitim.

Stephan Noll, Bürgermeister in Alzenau, hat aufwühlende Tage hinter sich. Dort, in der Kleinstadt in Unterfranken, hat der 28-Jährige, der am 22. Januar in Aschaffenburg zwei Menschen erstochen haben soll, zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt. Auch Noll sah sich danach zahlreichen Fragen ausgesetzt. Etwa der, ob er es als Bürgermeister eigentlich mitgeteilt bekomme, wenn ein Flüchtling randaliere und ein Auto demoliere – was der 28-jährige Afghane getan haben soll. Nein, dergleichen erfahre man als Bürgermeister nicht, sagt Noll. Und auch das führe ihn zum Punkt: Mit Menschen, die offenkundig psychisch auffällig seien, dürfe man niemals kleinere Kommunen alleine lassen. Die könnten sich um solche Fälle „nicht angemessen kümmern, das müssen andere übernehmen“. Der Schritt von Friedrich Merz? Hinter dem stehe er. Natürlich habe auch er ein „blödes Gefühl“ dabei. Er sei aber der festen Überzeugung: „Es muss etwas geändert werden.“ Die demokratische Mitte müsse unverzüglich handeln. Merz dafür hart zu kritisieren, hält Noll für „heuchlerisch“.

Pia Beckmann war Oberbürgermeisterin von Würzburg, inzwischen ist sie einfaches CSU-Mitglied. Sie ringe mit sich, sagt sie. Eine parlamentarische Mehrheit mit den Stimmen der AfD – das sei fraglos eine „politische Grenzüberschreitung“, das treibe sie um.  Andererseits kenne sie aus vielen Gesprächen den Willen der Menschen, einen als solchen wahrgenommenen „Kontrollverlust“ mit politischem Handeln zu überwinden. Ob also Friedrich Merz richtig gehandelt hat? „Das ist eine fast philosophische Frage“, sagt Beckmann. „Ich neige dazu zu sagen: Es wäre womöglich besser gewesen, etwas unter den Demokraten gut Abgestimmtes zur Abstimmung zu stellen – bei dem dann alle aus der politischen Mitte hätten zustimmen können.“ Was ihr aufgefallen sei: Unter jenen aus der Union, die sich der Abstimmung im Parlament entzogen haben, seien auffallend viele Frauen gewesen.

Hans Reichhart, Landrat von Günzburg, findet den Weg richtig, den CDU-Chef Friedrich Merz geht. „Wir haben enormen Druck in allen Bereichen, die Politik muss Lösungen finden und kann sich nicht mehr hinter parteitaktischen Spielchen verstecken.“ Reichhart hätte sich gewünscht, dass der Bundeskanzler Führung übernimmt, das habe er nicht getan. Es sei für die Union wichtig, die eigenen Positionen deutlich zu machen. Man habe manche Bereiche der AfD überlassen, dort müsse man stattdessen wieder präsent sein. „Es darf doch nicht sein, dass ich mir im Vorfeld überlegen muss, wer meinem Antrag zustimmen könnte.“ Jede Partei müsse in der Lage sein, eigene Themen zu setzen, „ohne schon vorher eine Schere im Kopf zu haben“.

„Für mich war es richtig, dass man das macht, ich stehe da voll dahinter“, sagt Martin Schoberth, CSU-Fraktionssprecher im Stadtrat von Bad Reichenhall. Ob es aber auch strategisch klug war, das mag Schoberth nicht abschließend beurteilen. Womöglich stärke man so unabsichtlich „die eher linksgerichteten Parteien“, ohne einen einzigen AfD-Wähler für die Union zurückzugewinnen. Oder aber, und so lautet Schoberts erklärte Hoffnung, man habe ein wichtiges Zeichen für konservative Wähler gesetzt, dass es eben nicht die AfD brauche, damit sich in der Migrationspolitik etwas ändert.  Auf die Brandmauer zu den Rechtsextremen legt Schoberth nach eigenen Worten großen Wert, „eine Koalition mit der AfD ist für mich ein absolutes No-Go“. Das könne aber gerade nicht heißen, dass man die eigene Politik immer nur danach ausrichte, wie die AfD darauf reagiere, und also „nur noch Anträge stellen darf, denen die AfD garantiert nicht zustimmt“. Denn dann würde sich die Union erst recht von der AfD treiben lassen. Zudem werde immer nur über eine mögliche Zustimmung der AfD gesprochen. Die habe aber auch Vorschläge der Union abgelehnt, genau wie die SPD – und in diesen Fällen hätten die beiden Parteien auch gleich abgestimmt, ohne dass man es der SPD zum Vorwurf mache.



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