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Ungarn: Wie Viktor Orbán für die nächsten Wahlen vorsorgt – Politik

by Marko Florentino
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Die nächsten Parlamentswahlen in Ungarn sind, nach jetziger Planung zumindest, für das Frühjahr 2026 angesetzt. Die letzten fanden im April 2022 statt; die Regierungspartei Fidesz kam damals auf 53 Prozent und erreichte eine Zweidrittelmehrheit, mit der Ministerpräsident Viktor Orbán durchregieren kann. Die Opposition war vereint angetreten, Fidesz hatte Sorge davor, die verfassungsändernde Mehrheit zu verlieren. Aber das Ergebnis war niederschmetternd für die Gegner des Ministerpräsidenten – und der rief in der Wahlnacht euphorisch, sein Sieg sei so „groß, dass man ihn vom Mond sehen“ könne.

Seither hat sich die politische Landschaft in Ungarn verändert. Im Chef der Tisza-Partei, Péter Magyar, ist Orbán ein ernsthafter Konkurrent erwachsen, in Umfragen liegt er vor Fidesz. Nun hat der Justizausschuss des Parlaments eine Novelle abgenickt, mit der das Wahlrecht, wie schon mehrmals unter Orbán, geändert wurde. Die Gesetzesänderung gilt wegen der Mehrheit von Fidesz im Abgeordnetenhaus quasi als beschlossen.

Vorgesehen ist eine Änderung, mit der die Wahlkreise in der Hauptstadt neu zugeschnitten werden. Das Argument: Die Einwohnerzahl nehme ab, und immer mehr Menschen zögen aufs Land. Überdies sollen in der Hauptstadt Budapest nur noch 16 statt 18 Direktmandate vergeben werden. Im Landkreis Pest hingegen, außerhalb der Metropole, sollen dafür 14 statt zwölf besetzt werden.

Die Hauptstadt Budapest tendiert traditionell zur Opposition

Unter Wahlforschern nennt man das Gerrymandering, also eine Verschiebung von Wahlkreisgrenzen, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren. Aus Fidesz-Sicht ergibt das absolut Sinn, denn die Hauptstadt Budapest unter ihrem linksliberalen Bürgermeister Gergely Karácsony tendiert traditionell zur Opposition. Der neue, starke Gegner von Orbán, Péter Magyar, hatte hier bei der Europawahl massiv mobilisieren können. Fidesz ist hingegen auf dem Land stärker. Eine Verlagerung von Direktmandaten aus der Oppositionshochburg Budapest ins Umland nützt Orbán also.

Der Politikwissenschafter Gábor Tóka wird auf der regierungskritischen Online-Plattform 444.hu mit der Einschätzung zitiert, dass die Verschiebung eines Mandats aus Budapest in die Peripherie statistisch noch erklärbar wäre – alles andere führe er auf parteipolitische Taktik zurück.

Änderungen am Wahlrecht gehören seit 14 Jahren, seit dem Amtsantritt des Regierungschefs 2010 also, zu jenen Methoden, mit denen der Rechtsnationalist seine Macht so weit gefestigt hat, dass er als kaum mehr abwählbar gilt. Mittlerweile werden 106 von 199 Sitzen per Mehrheitswahlrecht vergeben; für den Sieg reicht eine relative Mehrheit, was Fidesz gegenüber der lange zerstrittenen Opposition ebenfalls begünstigt. Die restlichen Sitze kommen über geschlossene Parteilisten. Die Ungarn-Expertin Kim Lane Scheppele von der Universtität Princeton schreibt in ihrem Essay „Wie Orbán Wahlen gewinnt“, das Wahlrecht sei mittlerweile so geändert, dass Fidesz sich selbst mit einem Modell der „Wähler-Kompensation“ Stimmen zuschlage.

Die OSZE sieht das Recht auf „gleiche Wahlen“ gefährdet

Die OSZE hielt in ihrem Abschlussbericht nach der Parlamentswahl 2022 fest, entgegen gängiger demokratischer Praxis ermögliche das ungarische Wahlrecht eine solche „Ungleichheit der Wählerverteilung pro Wahlkreis“, dass das Recht auf „gleiche Wahlen“ gefährdet sei; auch „freie Wahlen“ werden wegen der fehlenden Waffengleichheit beim Zugang zu Medien und intransparenter Wahlkampffinanzierung auf Regierungsseite infrage gestellt. Orbáns Truppe gewinnt auf diese Weise regelmäßig mit weniger als 50 Prozent der Wählerstimmen regelmäßig mehr als zwei Drittel der Parlamentssitze.

Die bekannte ungarische Journalistin Veronika Munk, die aus Protest gegen die Übernahme des Nachrichtenportals Index durch Orbán-nahe Oligarchen vor vier Jahren mit Kollegen das unabhängige Medium Telex gründete, geht davon aus, dass Orbán mit einer Schwächung der Opposition durch wahltaktische Mittel eine Botschaft senden wolle: „Wir können tun, was wir wollen, niemand kann uns daran hindern.“ Munk, die mittlerweile Managerin bei der slowakischen Zeitung Denník N ist, hält vorgezogene Neuwahlen für möglich; Orbán lasse das Wahlsystem dafür anpassen. Seinem Herausforderer Maygar, der erst seit Februar 2022 politisch aktiv ist, solle auf diese Weise die Möglichkeit genommen werden, in Ruhe eine Parteistruktur aufzubauen und seine Popularität weiter zu stärken.

Magyar ist derzeit auf einer Tour durch die Landkreise. Eine Abhöraffäre, in die auch seine Ex-Freundin verwickelt ist und die zuletzt einige Wellen schlug, habe ihm bisher weniger als erwartet geschadet, sagt die Journalismus-Dozentin Veronika Hermann von der Universität Elte. „Bei seinen Fans nützt es ihm, dass er sagen kann, er werde von Orbáns Leuten bedroht.“



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