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Am 1. Oktober 2017 schlug ein Mann im 32. Stock eines Hotelzimmers zwei Fenster ein und feuerte elf Minuten lang auf Country-Fans, die sich unten auf dem Las Vegas Strip zu Tausenden zum Festival versammelt hatten. 60 Menschen starben sofort oder an den Folgen, mehr als 850 Menschen wurden verletzt, es war das schlimmste mass shooting in der neueren US-Geschichte. „Dies scheint die Tat eines gestörten, verrückten Mannes zu sein“, erklärte vor einem Krankenhaus damals Mark Hutchison, der Gouverneur von Nevada, das stimmte nur halb.
Diesen Massenmord eines Amokläufers begünstigte auch die nahezu grenzenlose Freiheit amerikanischer Waffengesetze. Der 64 Jahre alte Schütze benutzte nicht nur 24 Waffen, vor allem mehrere Schnellfeuergewehre vom Typ AK-15 und AR-10, in den Vereinigten Staaten erlaubte Kriegsgeräte. Er verwendete auch sogenannte bump stocks, um in noch schnellerer Frequenz schießen und töten zu können. Danach erschoss er sich selbst.
Im Zuge des Massakers setzte die damalige Regierung von Donald Trump dann 2018 immerhin ein Verbot dieser bump stocks durch. Mit diesen Vorrichtungen, zu Deutsch „Schnellfeuerkolben“, wird die Schussfolge von halbautomatischen Waffen erhöht. Grob gesagt sind sie der Ersatz für den Kolben an der Schulter, um den gewöhnlichen Rückstoß für den nächsten Schuss zu nutzen, ohne erneut abzudrücken. Sie werden damit mehr oder weniger zu Maschinengewehren. Binnen Minuten können auf diese Weise hunderte Schuss abgegeben werden, bei diesem Mehrfachmörder waren es laut der Ermittler in weniger als einer Viertelstunde 1057.
Trump ist nicht als Waffengegner bekannt. Aber selbst die meisten seiner politischen Widersacher waren in diesem Fall der Ansicht, dass er diese bump stocks vollkommen zurecht von der Straße nehmen ließ. Ansonsten gab es für seine Manöver eher wenig Beifall von linker Seite, und die Sorge vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus wächst stündlich. Doch nun hat der Oberste Gerichtshof eine seiner vernünftigsten Maßnahmen gekippt.
Geklagt hatte der Besitzer eines Waffenladens aus Texas
Am Freitag beschloss das Gremium, die Beihilfen zur Massenerschießung wieder zuzulassen. „Ein bump stock verwandelt ein halbautomatisches Gewehr ebenso wenig in ein Maschinengewehr wie ein Schütze mit einem blitzschnellen Abzugsfinger“, behauptet der Richter Clarence Thomas bei der Begründung für die 6:3-Mehrheit. Selbst mit einem bump stock gebe ein halbautomatisches Gewehr „nur einen Schuss für jede Funktion des Abzugs ab“.
Geklagt hatte der Besitzer eines Waffenladens aus Texas, der sich solche Verstärker gekauft hatte und sie nach dem Bann vor sechs Jahren abgeben musste, andernfalls wäre bisher eine Gefängnisstrafe fällig gewesen. Es ging bei dem Urteil jetzt weniger um den zweiten Verfassungszusatz, dieses Recht auf freien Waffenbesitz aus der Zeit des Wilden Westens, das in Amerika grundsätzlich immer noch auf Teufel komm’ raus verteidigt wird. Es ging um irgendwie interpretationsfähige Regeln der Waffenaufsicht.
Die stramm konservative Übermacht des Supreme Courts ist der Meinung, dass dieses Waffentuning nicht unter ein Waffengesetz aus dem Jahre 1986 falle, das MGs von Zivilisten fernzuhalten versuchte. Dem zugrunde lag eine Verordnung von 1934, aus den Nachwehen der Al-Capone-Ära, das jene Waffe aus dem Verkehr ziehen wollte, „die durch einmaliges Betätigen des Abzugs automatisch mehr als einen Schuss abgibt“, beziehungsweise dafür verwendet werden könne, „ohne manuelles Nachladen mehr als einen Schuss abzugeben“.
USA
:Verschwörungstheoretiker Jones muss Vermögenswerte verkaufen
Immer wieder behauptete Alex Jones, den Amoklauf an der US-Grundschule Sandy Hook habe es nie gegeben. Deshalb wurde der rechtsextreme Moderator zu Schadenersatz in Milliardenhöhe verurteilt. Jetzt ist klar, wie er das bezahlen soll.
Sogar Trump hatte das anders interpretiert und argumentiert, dieses Extra verwandle „legale Waffen in illegale Maschinengewehre“. Jetzt ließ er eine Wahlkampfsprecherin ausrichten, das Gericht habe gesprochen, „und seine Entscheidung sollte respektiert werden“. Weiter: „Präsident Trump war und wird immer ein leidenschaftlicher Verteidiger der Rechte der Amerikaner nach dem zweiten Verfassungszusatz sein, und er ist stolz darauf, von der NRA unterstützt zu werden.“ Die NRA ist die National Rifle Association, die amerikanische Waffenlobby.
Abgestimmt wurde in höchster Instanz über ein vormals und womöglich bald wieder populäres Teufelszeug. Die US-Behörde für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoffe vermutet, dass von 2010 bis 2018 ungefähr 520 000 bump stocks verkauft wurden. „Wie viele Menschen müssen noch sterben, damit sie verstehen, dass so etwas nicht auf dem Markt sein darf?“, zitiert das Wall Street Journal eine Überlebende des Kugelhagels von Las Vegas.
Präsident Joe Biden erinnerte nun an die Opfer jenes Gemetzels. „Die Amerikaner sollten nicht in Angst vor dieser Massenverwüstung leben müssen“, sagte er. „Wir wissen, dass Gedanken und Gebete nicht genug sind.“ Er fordert den Kongress zum Verbot von bump stocks und Angriffswaffen auf – „schicken Sie mir einen Gesetzentwurf, und ich werde ihn sofort unterzeichnen“.
Die liberale Richterin Sotomayor ist entsetzt über das Votum
Der Anführer der demokratischen Mehrheit im Senat, Chuck Schumer, verweist jedoch darauf, dass man dafür die Stimmen der Republikaner brauche. Hardliner unter den republikanischen Mandatsträgern wie Chip Roy oder Matt Gaetz sind sehr zufrieden mit der Waffenentscheidung des Obersten Gerichtshofes. Der Schiedsspruch der wichtigsten Juristen Amerikas kommt in diesen Kreisen ähnlich gut an wie jener, der 2022 das bundesweite Recht auf Abtreibung kassierte.
Die Befürworter der Rückabwicklung stehen den waffenfreundlichen Republikanern insgesamt deutlich näher als den Demokraten. Der Richter Samuel Alito hatte nichts dagegen, dass vor seinen Häusern Flaggen von Trumps Bewegung wehten, Thomas lässt sich offenbar gerne von rechten Milliardären einladen. Diese Richterschaft im Gebäude gegenüber dem 2021 von Trump-Fans überfallenen Kapitol soll auch gerade über Trumps Immunität befinden.
Die liberale Richterin Sonia Sotomayor ist entsetzt vom Votum ihrer Runde. „Heute gibt das Gericht bump stocks wieder in die Hände von Zivilisten“, schreibt sie. Es verwerfe die Definition des Kongresses von „Maschinengewehr“ und greife zu einer Definition, „die mit der gewöhnlichen Bedeutung des Gesetzestextes unvereinbar ist“. Ihr bleibt in der Minderheit am Supreme Court oft nur Frust, wenn sich wieder das rechte Lager durchsetzt. „Es gibt Tage, da komme ich nach der Bekanntgabe eines Falles in mein Büro, schließe die Tür und weine“, sagte sie kürzlich in Harvard. Der Freitag könnte wieder so ein Tag gewesen sein.