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Sarah Huckabee Sanders musste sich einiges anhören in ihrer Zeit als Sprecherin von Donald Trump. „Liar-in-Chief“ war einer ihrer Spitznamen in den Medien, nachdem Sanders nicht einmal mehr „alternative Fakten“ präsentierte wie andere Beraterinnen des damaligen US-Präsidenten, sondern ganz einfach unverfroren log.
Donald Trump hält seither große Stücke auf seine loyale Dienerin, die seit bald zwei Jahren ihren Heimatstaat Arkansas regiert, wo schon ihr Vater Gouverneur war. Mit feuchten Augen erzählte sie unlängst beim Parteitag der Republikaner, wie ihr Mentor ihr damals den Rücken stärkte, als der böse Journalistenmob sie zu kritisieren wagte.
Die Erfahrungen hindern die 42-Jährige keineswegs daran, selbst mit Argumenten aus der untersten Schublade in den Wahlkampf zu ziehen. Bei einem Auftritt mit Donald Trump in der Industriestadt Flint in Michigan erzählte sie am Dienstag eine rührende Anekdote über ihre Tochter, die sich hübsch machte und bemerkte, ihre Mutter werde bestimmt auch eines Tages so gut aussehen wie sie. Solche Erzählungen aus dem Privatleben, aus denen sich Weisheiten über das Leben ableiten lassen, sind Pflichtbestandteil jeder politischen Rede in den Vereinigten Staaten.
Harris, die neue Mutter der Nation?
„Meine Kinder lassen mich bescheiden bleiben“, war die Lehre, die Sanders daraus zog. „Leider hat Kamala Harris nichts, was sie bescheiden bleiben lässt.“ Da war sie wieder, die Debatte über die kinderlosen Katzenfrauen, die der heutige Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance mit seiner respektlosen Bemerkung über Demokratinnen losgetreten hatte. Längst haben sich die Unterstützerinnen von Kamala Harris die Beschreibung zu eigen gemacht, Popstar Taylor Swift unterzeichnete damit ihre Wahlempfehlung für die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.
Die Reaktionen ließen auch diesmal nicht auf sich warten. Die frühere Ehefrau des Gatten von Kamala Harris verteidigte die Demokratin, deren Stiefkinder Cole und Ella ihr den Kosenamen „Momala“ verpasst haben. Selbst ein Berater von Donald Trump, der von seiner Stiefmutter erzogen wurde, beschrieb den Kommentar bei CNN als beleidigend und sagte, er sei enttäuscht über Huckabee Sanders.
Die anhaltende Debatte sagt viel aus über den amerikanischen Zeitgeist. Einst galt es in den USA als Vorteil, wenn Präsidentschaftsanwärter keine Kinder hatten – zum Beispiel beim allerersten Amtsinhaber, George Washington. Bei der ersten Antrittsrede erwog er, darauf hinzuweisen, um der jungen Republik klarzumachen, dass er keine Erbfolge begründen werde. Insgesamt fünf Präsidenten waren bisher kinderlos. Im 20. Jahrhundert aber bürgerte es sich ein, den Mann im Oval Office als Landesvater zu verstehen. Das Bild hat sich in den Köpfen so sehr verfestigt, dass die frühere Schauspielerin Drew Barrymore im Frühling in ihrer TV-Talkshow Harris aufforderte, eine Mutterrolle für die Nation einzunehmen. „Wir brauchen Sie als Momala unseres Landes“, sagte Barrymore.
Die Gewerkschaft der Teamsters verpasst der Demokratin einen herben Rückschlag
Am Parteitag der Demokraten ließ Harris dann auch ihre Stiefkinder und ihre Großnichten darüber schwärmen, wie kinderlieb die Tante doch sei. Um die zu erreichen, denen ihr politischer Leistungsausweis vielleicht nicht ausreicht als Qualifikation: ihre politische Karriere von 20 Jahren in San Francisco, Kalifornien und zuletzt auf Bundesebene, als Staatsanwältin, Justizministerin, Senatorin und zuletzt als Vizepräsidentin. Statt solche Grundsatzdiskussionen zu führen, passt Harris lieber ihre Botschaft an. Das macht sie auch, wenn sie auf ihre Identität als Schwarze angesprochen wird, indem stets betont, eine Präsidentin für alle Amerikaner sein zu wollen.
Die Strategie ist bestimmt geschickt in einem gespaltenen Land, in dem Harris in Umfragen nur sehr knapp vor Trump führt und kleinste Abweichungen in den sieben Swing States bei der Wahl den Ausschlag geben dürften. Vor diesem Hintergrund war es eine herbe Niederlage, die Harris am Mittwoch einstecken musste. Die Gewerkschaft der Teamsters verzichtet in diesem Wahlkampf auf eine Empfehlung, erstmals seit bald 30 Jahren, im Unterschied zu den meisten anderen Gewerkschaften.
Die Teamsters sind wohl nicht die größte Arbeiterbewegung, symbolisch aber ist die Entscheidung der 1,3 Millionen Angestellten der Transportbranche durchaus bedeutend. Ihr Präsident Sean O’Brien war als erster Gewerkschafter seit Menschengedenken auf dem Parteitag der Republikaner aufgetreten. Und Donald Trump versucht mit seinem Wirtschaftspopulismus gerade die von der Globalisierung enttäuschten Arbeiter in den ländlichen USA als Wähler zu gewinnen.
Umso wichtiger ist es für Harris, andere Teile der Koalition hinter sich zu scharen, die 2020 schon Joe Biden ins Amt getragen hatte. Dabei halfen ihr am Mittwoch mehr als 100 frühere Mitarbeiter des Sicherheitsapparats, allesamt Republikaner, die Trump in einem Brief als „untauglich“ für das Präsidentenamt bezeichneten.
Offene Ohren fand Harris auch bei einer Versammlung von lateinamerikanischen Interessenvertretern in Washington. Sie werde sowohl den Grenzschutz verbessern als auch einfachere Wege zu Aufenthaltspapieren schaffen für junge Migranten, die ihre Ausbildung in den USA absolviert hätten, versprach Harris.
Sie warnte eindringlich vor einer neuerlichen Präsidentschaft von Trump, der die Latinos ebenfalls umwirbt. Der Republikaner habe in seiner ersten Amtszeit Familien an der Grenze auseinandergerissen und Kinder von ihren Eltern getrennt. Nun kündige er im Wahlkampf die größte Abschiebeaktion für Migranten in der Geschichte der Vereinigten Staaten an. „Wie soll das gehen?“, fragte Harris, und gab die Antwort gleich selbst: „Massive Razzien, massive Abschiebelager.“