Zuletzt waren es ja eher Döner und Wurst, um die da und dort ein Kulturkampf entbrannte. Mal betonte der Mensch, er werde sich doch seinen Schweinsbraten nicht verbieten lassen, dann wiederum wurde auf Hafermilch und Smoothie beharrt. Dass jetzt ausgerechnet über den Verzehr von Tannenbäumen diskutiert wird, verdient allerdings besondere Aufmerksamkeit.
Bevor die Diskussion begann, war es eher um die Frage gegangen, ob ein Nadelgewächs im Wohnzimmer überhaupt noch zeitgemäß sei und, wenn ja, ob man weiterhin „Christbaum“ sagen dürfe. Jetzt aber geht es um seinen Geschmack, denn während die belgische Stadt Gent auf ihrer Website gerade empfahl, die ab dem Dreikönigstag meist fahlgrün herabhängenden Nadeln der Heim-Tanne einfach aufzuessen, schaltete sich in der Angelegenheit laut einigen Medien nun auch die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde AFSCA ein: „Essen Sie Ihren Weihnachtsbaum nicht!“, warnte sie.
Orangig, vanilleartig oder pampelmusig
Schwierig, da die richtige Entscheidung zu treffen. Schließlich heißt es in der dritten Strophe eines berühmten Weihnachtsliedes: „Dein Kleid wird mich was lehren.“ Auch die Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098–1179) soll ja Tannenzweignadeln gekocht haben, allerdings nicht, um sie zu essen. Eher stellte sie aus Nadelsud und etwas Schmalz heilende Salben her. Doch jüngst hatten Bücher wie das vor zwei Jahren erschienene „Tasty Trees: Leckeres aus Bäumen“ bei Pflanzenfreunden für Aufmerksamkeit gesorgt. Mal wurde hier der grasige Geschmack von Nordmanntannennadeln herausgestellt, dann die vanilleartig duftenden Blätter der Blaufichte. Bei der Weißtanne sollen Blätter wie Mandarinen schmecken, bei der Kiefer erfrischend holzig, bei der Douglasie orangig und bei der Küstentanne pampelmusig. Der Verzehr gekochter Nadeln, darin stimmen die Expertinnen und Experten grundsätzlich überein, sei hier deutlich sinnvoller als der Genuss von Nadeln aus der Fritteuse. Denn erst heißes Wasser nehme den spitzen Blättern ihr hühnerknochenartiges Gefährdungspotenzial. Und auch auf die Verfütterung von Weihnachtsbäumen an Zootiere wurde gerne verwiesen. Was gerade noch mit bunten Kugeln und silbernem Lametta das Home-Office schmückte, sei – nach dem Fenstersturz – wegen seiner ätherischen Öle zum Beispiel bei Giraffen sehr beliebt.

Doch jetzt die irritierende Warnung der belgischen Lebensmittelbehörde. Neben Pestiziden, so betont man dort, kämen auf Tannenfarmen auch giftige Brandschutzmittel zum Einsatz, welche beim Verzehr „tödliche Folgen haben“ könnten. Umgehend änderte die Stadt Gent also den Text „Essen Sie Ihren Christbaum“ auf der Website in „Skandinavier essen ihre Christbäume“ um, was in seiner Generalisierung freilich unterstellenden Charakter hat. Denn, darauf hatte zuletzt etwa die Kräuterfrau Jasmin Grütering aus Bad Dürrheim im Schwarzwälder Boten hingewiesen: Unbedenklich sei ohnehin nur der Verzehr von Bäumen, welche aus dem Bio-Anbau stammten. Zudem betonte Grütering: „Immer gucken, dass man keine Eibe erwischt. Die ist nämlich giftig.“
Wahrscheinlich fährt man also seinen Weihnachtsbaum, sollte er nicht zu den wiederverwertbaren aus Plastik zählen oder dank des Verzichts auf die Kappung seiner Wurzeln gar noch leben, einfach zum Wertstoffhof. Oder man zerstückelt ihn, damit er in Kamin oder in den Kompostkorb passt. Denn selbst weich gekochte Bio-Nadeln sind – etwa als Tee, Essig oder Eiscreme – kulinarisch nicht jedermanns Sache. Ähnlich wie bei Döner oder Hafermilch kann das menschliche Zusammenleben hier ganz schön auf die Probe gestellt werden. Die britische Köchin Julia Georgallis etwa, welche vor vier Jahren mit ihrem bemerkenswerten Bestseller „How to eat your christmas tree“ auffiel, hatte zuletzt auf ihrer Homepage von einem Podcast berichtet, an dem sie gerade arbeite. Der Titel: „How to eat alone“.