Die Ukraine – kein eigener Staat? Kein Pole hat je mit den Nazis kollaboriert? Immer wieder verzerren Regierungen bewusst die Geschichte. Juristin Angelika Nußberger erklärt im Interview, wie man mit solchen Lügen umgeht.
Wladimir Putin rechtfertigte seinen Krieg 2022 mit der russischen Geschichte. Die Ukraine sei eigentlich kein eigener Staat, schrieb er in einem Essay: Russen, Ukrainer und Belarussen seien historisch ein einziges Volk. Wenig später schickte er Tausende Soldaten über die Grenze. Doch nicht nur Putin bedient sich für seine Politik in der Geschichte. Auch zum Beispiel in Polen oder in Ungarn versuchten Regierungen zuletzt, bestimmte Versionen ihrer Nationalgeschichte durchzusetzen, teils unter Androhung von Strafen. Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spricht für Mittel- und Osteuropa gar von „Erinnerungskriegen“ – und hat versucht, nach Antworten auf die Herausforderung zu suchen, dass Regime bestimmen wollen, was die richtige Erzählung über die Vergangenheit ist und was die falsche. Das Projekt „Memocracy“ wurde von den Universitäten Köln und Kopenhagen, der Polnischen Akademie der Wissenschaften und dem Asser-Institut in Den Haag koordiniert, nach drei Jahren ging es nun mit einer Konferenz in München zu Ende. Die Juristin und Slavistin Angelika Nußberger gehörte zu den Leiterinnen des Projekts.