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«Windrad-Außendienstmitarbeiter»? Aiwanger wirbt für Windpark in Marktl – Bayern

by Marko Florentino
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Es ist noch keine sechs Wochen her, dass Hubert Aiwanger von oben auf Mehring hinuntergeschaut hat. Weit oben war es nicht, denn der Eschlberg, wo Bayerns Wirtschaftsminister noch für ein Ja der Mehringer zum Windpark im Altöttinger Forst geworben hatte, ist nur ein kleiner Hügel. Mit ihm am Eschlberg standen damals praktisch nur Lokalpolitiker, Firmenvertreter, Forstleute und Journalisten. Entscheiden aber sollten eineinhalb Wochen später die Mehringer Bürger, von denen die meisten ihre Stimmzettel da längst ausgefüllt und abgeschickt hatten. Am Ende haben zwei Drittel Nein gesagt zu einem Windpark im Staatsforst. Wieder ein paar Wochen später steht Aiwanger an diesem Montag also unten bei den Anwohnern in der Öd, jener Siedlung am Waldrand, in der die meisten Mehringer leben.

Der Wald ist keine hundert Meter von dem hölzernen Gartenzaun entfernt, an dem sich Aiwanger abseits der wartenden Journalisten mit drei Ehepaaren unterhält. Eine der Frauen hat ihn in der Diskussionssendung «Jetzt red i» im Bayerischen Fernsehen aufgefordert, doch einfach mal zu ihnen zu kommen, aber auch das war schon nach dem Bürgerentscheid. Windräder im Wald könnten sie sich nur vorstellen, wenn sie mindestens zwei Kilometer von ihren Häusern entfernt seien, sagen Aiwangers Gastgeber nach dem Treffen. Mit der Bürgerinitiative «Gegenwind Altötting», die teils wenig Berührungsängste mit der äußersten Rechten und der Querdenker-Szene zeigt, wollen sie nichts zu tun haben.

Die Initiative hat ihre Mitglieder in der ganzen Region dazu aufgerufen, zahlreich nach Mehring zu kommen. Mancher Windpark-Befürworter hatte diese Kritiker tendenziell für Aiwangers Klientel gehalten, von der er aber kaum den gewohnten Beifall zu erwarten gehabt hätte. Der Beifall bleibt tatsächlich aus, aber allzu viel Gegenwind bekommt der Minister in Mehring trotz des Aufrufs der BI gar nicht zu spüren. Bürgermeister Robert Buchner, wie Aiwanger ein Freier Wähler, steht ohnehin entspannt am Rand. Für ihn ist das Thema Windpark auf absehbare Zeit erledigt. Ob Aiwangers Gespräch mit den Anwohnern jetzt der Auftritt ist, den es schon vor dem Bürgerentscheid gebraucht hätte? «Den hätte es schon vor ein paar Monaten gebraucht», sagt Buchner.

Bayerns Wirtschaftsminister interpretiert das Ergebnis des Entscheids derweil «als Aufforderung, noch mehr mit den Bürgerinnen und Bürgern über den Windpark zu sprechen». Schließlich war es nicht nur der Wunsch der energiehungrigen Industrie im bayerischen Chemiedreieck, wenigstens einen kleinen Teil des dringend benötigten klimaneutralen Stroms in der Region zu erzeugen. Es war auch der erklärte Wille der Staatsregierung, dazu im staatseigenen Altöttinger Forst den bisher größten Windpark in Bayern mit insgesamt 40 Windrädern zu errichten.

Doch die Staatsforsten haben jegliche Windkraftprojekte in ihren Wäldern schon vor längerer Zeit von der Zustimmung der jeweiligen Gemeinde abhängig gemacht. Mit dem Nein der Mehringer fehlt nun die Fläche für zehn der 40 Anlagen. Aiwanger versucht, der Absage eine positive Seite abzugewinnen. «Kann sein, dass, wenn die Mehringer nicht dagegen gestimmt hätten, wir uns heute in der Form nicht treffen würden», sagt er also wenig später und ein paar Kilometer weiter im voll besetzen Bürgersaal der Gemeinde Marktl am Inn. Auch in Marktl hat die «Gegenwind»-Initiative ohne viel Mühe genügend Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt, aber anders als in Mehring haben die Gemeinderäte einen solchen Entscheid als unzulässig abgelehnt. Zu unbestimmt schien ihnen die Forderung, dass die 3000-Einwohner-Gemeinde alle rechtlich möglichen Mittel gegen die Windpark-Pläne ins Feld führen soll. Stattdessen wollen die Räte mit der BI an diesem Dienstag ein Ratsbegehren formulieren, über das die Marktler mit der Europawahl im Juni abstimmen sollen.

Hier in Marktl geht es nach den bisherigen Planungen nur um drei Anlagen. Doch auch hier gibt es Bedenken von direkten Anwohnern am Waldrand bis hin zu Menschen, die nach eigenen Angaben neun Kilometer entfernt leben, sich aber Sorgen wegen des Lärms der Rotoren machen. Aiwanger entgegnet, dass die Anlagen im Wald für Spaziergänger nicht nur später zu sehen seien als im freien Gelände, sondern auch kaum zu hören. Denn bei Windstille drehten sich auch die Rotoren nicht, und wenn der Wind wehe, dann rauschten die Blätter lauter als so ein Windrad, für das sich Aiwanger als Kompromiss statt 1000 Metern auch einen Mindestabstand von 1500 Meter zur nächsten Siedlung vorstellen könnte.

Nach dem Mehringer Entscheid hatte Aiwanger auf Kritik aus der CSU an seinem mangelnden Einsatz noch entgegnet, er lasse sich nicht überall hinschicken, wo man ihn haben wolle. In Marktl schlägt er nun andere Töne an. Wenn er jetzt überall hinfahren solle, wo ein Windrad geplant sei, «dann bin ich die nächsten Jahre jetzt Windrad-Außendienstmitarbeiter. Aber ich komme gerne, weil ich da vernünftige Leute treffe.»



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