Das Coronavirus hört nicht auf zu mutieren. Erneut breitet sich eine neue Variante von Sars-CoV-2 aus. Sie heißt XEC und ist sehr durchsetzungsfähig: Seit ihrem ersten Auftauchen verdrängt sie andere Corona-Varianten mehr und mehr. Das liegt daran, dass sie offenkundig noch ansteckender ist als ihre ohnehin schon extrem infektiösen Verwandten. Anzeichen dafür, dass sie schwerer krank macht oder der bisherige Immunschutz nicht wirken würde, gibt es aber nicht.
Die neue Variante hätte auch unter dem Namen „deutsche Variante“ um die Welt gehen können, hätte die Weltgesundheitsorganisation WHO nicht 2021 die bisherige Praxis bei der Namensgebung geändert. Zuvor wurden die mutierenden Erreger des Coronavirus nach den Regionen der Welt benannt, in denen sie zuerst aufgetaucht sind. Nun wurden griechische Buchstaben zu Namensgebern. Aus der bis dahin „indischen Variante“ wurde „Delta“, und aus der „britischen“ wurde „Alpha“. Die Deutschen entgehen nun von vornherein dem diskriminierenden Krankheitsvergleich. Die neue Corona-Variante heißt XEC, obwohl sie erstmals im Juni in Deutschland entdeckt wurde. Es handelt sich um eine Unterform der seit drei Jahren kursierenden Omikron-Variante des Coronavirus.
Nach Ansicht von Expertinnen und Experten kann es gut sein, dass XEC bald weltweit die Oberhand gewinnt: „Es ist möglich, dass XEC über den nächsten Winter die dominante Subvariante werden wird“, sagte Francois Balloux vom Institut für Genetik des University College London dem britischen Science Media Centre. Wer sich in den kommenden Monaten ein Coronavirus zuzieht, dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit XEC erwischen.
XEC hat zwei zusätzliche Mutationen in seinem Spike-Protein
Derzeit herrscht in Deutschland noch KP.3.1.1 vor. Doch vor allem in Deutschland und Dänemark verbreitet sich derzeit XEC. Nach einer Auswertung des australischen Datenanalysten Mike Honey macht die Variante bereits 16 bis 17 Prozent der Fälle aus. Auch in den USA und Kanada breitet sich das Virus aus. Honey hat Daten der Plattform Gisaid genutzt, auf der Forschende aus aller Welt Informationen über Viren zusammentragen. „XEC scheint ein wahrscheinlicher nächster Herausforderer der jetzt dominierenden Variante KP.3.1.1 zu sein“, schreibt Honey auf dem Kurznachrichtendienst X. Davon geht auch Eric Topol aus, der Direktor des Scripps Research Translational Institute in Kalifornien: „XEC übernimmt definitiv die Führung“, sagte er der Los Angeles Times.
Im Vergleich zu den bisherigen Coronaviren hat XEC zwei zusätzliche Mutationen in seinem Spike-Protein erworben – also in jenen Stacheln, die es benötigt, um menschliche Zellen zu infizieren. Für die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main kommt das nicht überraschend: Das Coronavirus mutiere weiter und suche immer neue Wege, um den Menschen zu infizieren, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Am Ende setze sich eine Variante durch, die irgendeinen Vorteil habe und zum Beispiel ansteckender sei.
Doch besonders infektiöse Varianten machen nicht zwangsläufig kränker. Laut Francois Balloux gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass XEC gefährlicher sein könnte als andere Sars-CoV-2-Varianten, die gerade in den Nasenrachenräumen und Lungen der Menschen unterwegs sind. Auch dürfte die bislang durch Impfungen oder durchgemachte Infektionen erworbene Immunität gegen dieses Virus ähnlich gut schützen wie gegen seine Vorgänger.
Derweil haben die Corona-Infektionszahlen in Deutschland laut dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) nicht weiter zugenommen. Nachdem die Zahl übermittelter Covid-19-Fälle seit Anfang August gewachsen war, sei sie zuletzt sogar leicht gesunken, schreibt das RKI. Es ist aber davon auszugehen, dass sich in der kälteren Jahreszeit eine neue Welle aufbaut. Mehr Infektionen bedeuteten dann auch mehr schwere Fälle, betont Sandra Ciesek. Man solle Corona nicht verharmlosen. Vor allem Menschen mit schwachem Immunsystem seien gefährdet. „Alle, die zu Risikogruppen gehören, die kein gesundes Immunsystem haben oder einen schweren Verlauf zu erwarten hätten, die wären gut daran, sich jetzt impfen zu lassen“, empfiehlt die Virologin und sagt: „Im Grunde ist es wie letztes Jahr, nur die Varianten und Buchstaben heißen anders.“