Spekulationen darüber gab es schon lange, nun schaffte Marco Wanderwitz im Gespräch mit der Freien Presse Klarheit: Der CDU-Politiker und ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung verzichtet auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag. „Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen“, begründete Wanderwitz seinen Entschluss. In den vergangenen Jahren sah sich der 49-Jährige massiven Anfeindungen durch Rechtsextremisten ausgesetzt. Wanderwitz erhielt Morddrohungen, an Silvester vor zwei Jahren wurde eines seiner Wahlkampfbüros durch Pyrotechnik beschädigt. „Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden“, sagt er.
Wanderwitz ist seit 2002 Abgeordneter des Bundestags. Bekanntheit erlangte er vor allem in seiner Rolle als Ostbeauftragter, zu dem ihn Angela Merkel 2020 ernannt hatte. Ein Amt, in dem der gebürtige Chemnitzer mit seinen Mitmenschen hart ins Gericht ging, insbesondere mit den AfD-Wählern unter ihnen. „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, dann ist doch was nicht Ordnung mit mir“, sagte Wanderwitz vor drei Jahren bei der Vorstellung des Berichts zum Stand der deutschen Einheit in Berlin.
Vielen Parteikollegen gingen seine Aussagen zu weit
Innerhalb der CDU galt Wanderwitz schnell als einer der härtesten Kritiker der AfD, doch vielen Parteikollegen gingen seine Aussagen zu weit. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 warf Wanderwitz einem Teil der Menschen in den neuen Bundesländern vor, durch die DDR „diktatursozialisiert“ und dadurch auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen zu sein. Es war eine Zäsur in Wandewitz’ politischem Wirken.
Wanderwitz verlor seinen Wahlkreis im Erzgebirge, den er zuvor fünfmal gewonnen hatte – ausgerechnet gegen einen Kandidaten der AfD, die in Sachsen dreieinhalb Prozentpunkte mehr holte als die CDU. Dafür machten Teile der Partei Wanderwitz mitverantwortlich. Der wehrte sich, sagte, Ministerpräsident Michael Kretschmer habe einen „Sündenbock“ gebraucht. Seinen Posten als Chef der sächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag musste Wanderwitz aufgeben.
Noch mischt Wanderwitz in der Politik mit, ist einer der Initiatoren des AfD-Verbotsantrags. „Die AfD verachtet die Demokratie und betrachtet und markiert politische Gegner als Feinde“, sagte der CDU-Politiker dazu. Erst vergangene Woche reichte Wanderwitz den Antrag, für den die Gruppe 113 Unterschriften aus verschiedenen Fraktionen gesammelt hatten, beim Bundestagspräsidium ein. Nur wenn eine Mehrheit des Bundestags für den Antrag stimmt, kann sich das Bundesverfassungsgericht mit einem AfD-Verbot befassen.
Neben Wanderwitz hatte im Juli bereits der parteilose sächsische Landrat Dirk Neubauer seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben. Kurz vor ihm tat das die CDU-Politikerin und Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas, die mit Wanderwitz liiert ist und mit ihm einen gemeinsamen Sohn hat. Die Begründungen der beiden klingen ähnlich: Neubauer sprach von einer „persönlichen diffusen Bedrohungslage“ aus der rechten Ecke, Magwas davon, dass „gelogen, diskreditiert, gehetzt“ werde.