Einen Tag vor der Bundestagsdebatte über eine Lockerung der Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben und mehr Investitionen haben die Regierungschefs der Länder eine schnelle Einigung angemahnt. Deutschland müsse handlungsfähig sein, und dafür müsse das Grundgesetz geändert werden, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Mittwoch vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Berlin.
Nach dem Treffen der Länderchefs betonte Kretschmer, dessen Land aktuell den Vorsitz der MPK innehat: „Was uns als Demokraten in diesem Land auszeichnet, ist, dass wir miteinander Kompromisse finden.“ Das erwarteten die Länderchefs auch von der Bundespolitik. Allerdings hat die künftige Regierungskoalition unter Führung des wahrscheinlichen nächsten Kanzlers Friedrich Merz (CDU) bislang die notwendige Mehrheit für die angestrebte Grundgesetzänderung noch nicht zusammen.
Die Grünen lehnen die Pläne von Union und SPD bisher ab, wie Habeck noch einmal bekräftigte
Hintergrund des Länderappells ist der Vorstoß von Union und SPD, Verteidigungsausgaben künftig jenseits von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenbremse auszunehmen. Zudem sollen die Länder den gleichen Neuverschuldungsspielraum bekommen wie der Bund, für Investitionen in die Infrastruktur soll ein schuldenfinanziertes Sondervermögen über 500 Milliarden Euro aufgelegt werden. Für alle drei Vorhaben müsste das Grundgesetz geändert werden. Weil im neuen Bundestag AfD und Linke eine Sperrminorität haben, soll dies noch der alte Bundestag übernehmen.
Allerdings lehnen die Grünen die Vorschläge von Union und SPD weiterhin ab. Am Mittwoch bekräftigte der scheidende Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck die Ablehnung seiner Partei. So wie der Vorschlag derzeit auf dem Tisch liege, könne er seinen „Leuten nicht empfehlen, dem zuzustimmen“, sagte er bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse in München. Deutschland habe sich mit der Schuldenbremse zwar „eingemauert“, und es sei „gut, dass das jetzt aufgebrochen wird“. Aber nicht so: „Das wäre eine Lüge“, so Habeck. Dass die Infrastruktur marode sei, wisse man seit 15 Jahren, deshalb komme es jetzt nicht auf ein paar Wochen an – anders als bei der geplanten Aufstockung der Mittel für Verteidigung. Habeck sprach sich deshalb dafür aus, die beiden Vorhaben zu trennen.
Die SPD allerdings ist vehement dagegen, zunächst nur die Ausnahmen für die Verteidigung vom alten Bundestag beschließen zu lassen und das Kapitel Infrastrukturinvestitionen zu vertagen. Die Länderchefs haben sich dieser Position nun angeschlossen. „Es ist unser gemeinsames Verständnis, dass wir nicht Geld nur für Panzer, Raketen und die Ukraine ausgeben können“, sagte Kretschmer, „sondern dass wir auch die Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland, mit Kindergärten, Schulen, mit Straßen, mit Krankenhäusern im Blick haben müssen.“ Die Frage nach einer Aufteilung von Sondervermögen und Verteidigungsausgaben stelle sich nicht, weil die Position der Länder sehr klar sei. Die Dinge gehörten zusammen, das sei ein gemeinsames Paket.
Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass für andere wichtige Anliegen kein Geld da sei
Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte davor, das Infrastruktur-Sondervermögen und die Lockerung der Schuldenbremse für die Verteidigung zu trennen. Als Gründe nannte er zum einen den Bedarf an höheren Investitionen in die Infrastruktur. Zum anderen müsse die Diskussion vermieden werden, dass für Rüstung Geld da sei, für viele andere wichtige Anliegen aber nicht. Weil verwies auch auf die „bunten Mehrheiten“ im Bundesrat, der genau wie der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit den geplanten Änderungen des Grundgesetzes zustimmen muss. Diese Mehrheit sei keine Selbstverständlichkeit, so Weil. Auf den Vorschlag der Grünen nach einer Trennung der Vorhaben einzugehen, wäre eine „erhebliche Belastung“ für die Diskussion.
An diesem Donnerstag soll das Parlament den Gesetzentwurf von Union und SPD in erster Lesung beraten. Grüne und FDP haben eigene Vorschläge vorgelegt. Am Dienstag soll dann in zweiter und dritter Lesung über die Grundgesetzänderung abgestimmt werden, danach müsste noch der Bundesrat zustimmen. Am 25. März soll dann erstmals der neu gewählte Bundestag zusammenkommen.
Weil betonte nach dem Treffen der Ministerpräsidenten, dass Ländervertreter in den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen in den Arbeitsgruppen ihrer jeweiligen Partei „schon ein Wörtchen mitzureden“ hätten. Es erscheine ihnen viel klüger, auf diese Weise Einfluss zu nehmen – und nicht über MPK-Beschlüsse von außen.
Am Donnerstagabend sollen die Vorsitzenden der 16 Arbeitsgruppen erstmals mit der 19-köpfigen Gruppe der Chefverhandler von Union und SPD zusammenkommen. Laut einem ersten Zeitplan streben CDU und CSU eine Unterzeichnung des Koalitionsvertrags in der Karwoche vor Ostern an.