Table of Contents
„Finden Sie es angemessen, dass der Gipfel hier in Kanada mit den USA stattfindet?“, ruft eine der zahlreichen kanadischen Journalistinnen den Regierungsvertretern hinterher, die bereits auf dem Weg nach drinnen sind. Keiner dreht sich um und antwortet. Nicht die kanadische Außenministerin Mélanie Joly, nicht die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und schon gar nicht US-Außenminister Marco Rubio, an den der Vorwurf, der in der Frage mitschwingt, eigentlich gerichtet ist.
Zwei Tage lang beraten die Außenministerinnen und Außenminister der sieben führenden westlichen Demokratien beim G-7-Gipfel in Kanada. Bis einschließlich Freitag diskutieren sie in Charlevoix in der Provinz Quebec über die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, aber auch über China und den Indopazifik.
Überschattet wird der Gipfel allerdings von einer Frage, die den amerikanischen Kontinent betrifft: Könnte Donald Trump tatsächlich Ernst machen und das Nachbarland annektieren? Immerhin verschärft der US-Präsident den Handelskonflikt mit Kanada zusehends und wird nicht müde zu wiederholen, dass das Nachbarland der USA seiner Meinung nach der 51. Bundesstaat seines Landes werden soll. In Kanada wächst die Sorge, dass der US-Präsident Ernst machen könnte.
Wie lange werden die USA noch am Tisch der G 7 sitzen?
Viele fragen sich nun, wie Diplomatie zwischen Wertepartnern noch funktionieren soll, wenn einer der Partner möglicherweise nicht mehr dem gleichen Kompass folgt. Schließlich scheint US-Präsident Donald Trump seinen eigenen Weg zu gehen, dem Westen den Rücken zu kehren und sich dem russischen Machthaber Wladimir Putin zuzuwenden. Russland war bis 2014 selbst noch der Teil der Gruppe, damals der G 8, wurde dann aber ausgeladen – wegen der Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. Im November soll die G 7 ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Doch ob die USA noch so lange mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada an einem Tisch sitzen werden, ist fraglich.
US-Außenminister Marco Rubio sah sich offenbar genötigt, vor seiner Teilnahme in Kanada klarzustellen, dass es bei dem Treffen nicht darum gehe, „wie wir Kanada übernehmen“. Nicht weil das ein offensichtlich lächerlicher Gedanke wäre, sondern im Gegenteil: weil es, so wie Trump sich benimmt, eigentlich niemanden mehr wundern würde.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich vor Beginn der Sitzungen in Kanada trotz der erwarteten Spannungen mit dem US-Außenminister vorsichtig optimistisch. „Nach unserem ersten kurzen Auftakttreffen am Abend kann ich definitiv sagen: Die Gesprächstemperatur entspricht nicht der Außentemperatur im winterlichen Kanada“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag. Soweit die Stimmung unter den Vertretern der Gruppe der Sieben.
Putin stellt Forderungen für eine Waffenruhe
Aber es gibt noch andere Krisen und Konflikte in der Welt, über die gesprochen werden muss. Und die betreffen vor allem den europäischen Kontinent. Wie wird es mit der Ukraine weitergehen? US-Außenminister Rubio hatte sich in den vergangenen Tagen in Saudi-Arabien aufgehalten, um mit einer ukrainischen Delegation über mögliche Friedensverhandlungen mit Russland zu sprechen. Von dort war er nach Kanada weitergereist, wohl auch mit dem Ziel, seine Amtskollegen über diese Verhandlungen zu informieren.
Während der Beratungen der Außenminister meldete sich jedoch Wladimir Putin zu Wort. Nachdem sich die Ukraine zuletzt zu einem Waffenstillstand bereit gezeigt hatte, erklärte der russische Machthaber, dass er die Idee eines Waffenstillstands grundsätzlich unterstütze. Aber: Eine solche Waffenruhe müsse die „Wurzel der Krise“ beseitigen und zu einem dauerhaften Frieden führen. Und dafür gebe es auch für Russland noch einige Fragen zu klären. Zum Beispiel, wie es in der russischen Region Kursk weitergeht.
Außerdem müsse geklärt werden, so Putin, wer Verstöße an der gut 2000 Kilometer langen Kontaktlinie zwischen beiden Ländern überwacht und ob die ukrainische Armee die Zeit eines Waffenstillstands zur Aufrüstung nutzen könnte. „Die Idee ist gut, und wir unterstützen sie, aber es gibt Themen, die wir noch diskutieren müssen“, sagte Putin. Russland hat seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor mehr als drei Jahren begonnen. Bislang hält Moskau an seinen Maximalforderungen zur Beilegung des Konflikts fest.
Ein Zeichen der Geschlossenheit wäre wichtig – doch ob es ein gemeinsames Abschlussdokument geben wird, ist unklar
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij warf dem Kriegsgegner Russland auch deshalb vor, einen Friedensschluss zu verzögern. Zuletzt hatte die EU das Vorgehen der USA in Bezug auf einen Waffenstillstand als übereilt und übergriffig kritisiert. In Europa ist man sich einig, dass ein Frieden in der Ukraine nur funktionieren kann, wenn das Land auch die nötigen Sicherheitsgarantien erhält. Zudem müssten bei einem möglichen Friedensschluss auch europäische Staaten mit am Verhandlungstisch sitzen, so die Vertreter.
Vor diesem Hintergrund sollte das Treffen der G-7-Staaten in Kanada eigentlich ein Signal der Geschlossenheit aussenden. Doch gerade, wenn es um die Ukraine geht, scheint es doch einige Differenzen zu geben. Und so ist man sich in Kanada bis kurz vor Ende des Gipfels nicht einmal sicher, ob sich die Gruppe der wirtschaftlich starken Demokratien überhaupt auf ein gemeinsames Abschlussdokument einigen kann.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte noch vor Beginn der Beratungen am Donnerstag die Bedeutung des G-7-Treffens. Auch im 50. Jahr ihres Bestehens sei die Runde der sieben wirtschaftlich starken Demokratien „ein zentraler Gesprächskreis, der sich immer wieder an die geopolitischen Herausforderungen und die geopolitischen Zeiten anpasst“, sagte sie. Seit Putins Angriff auf die Ukraine sei die G 7 auch ein zentraler Ort der Friedenssicherung in Europa. „Das ist gerade in diesen Tagen wichtiger denn je.“ Damit dürfte die Ministerin nicht nur den europäischen, sondern auch den amerikanischen Kontinent meinen.