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Migration: Faeser schlägt in Europa einen neuen deutschen Ton an – Politik

by Marko Florentino
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser mühte sich erkenntlich um einen forschen Ton, als sie am Donnerstag in Luxemburg dem Rest Europas die Grundzüge der neuen deutschen Asylpolitik vorstellte. Es könne nicht sein, dass Deutschland alle Migranten aufnehme, die nach Europa kommen, sagte die SPD-Politikerin vor einem Treffen der Innenministerinnen und Innenminister.

Natürlich war das eine Übertreibung, denn Deutschland nimmt mit Abstand die meisten, aber nicht „alle“ Migranten auf. Faeser wollte so ihre Forderung untermauern, es brauche in Europa eine „faire Verteilung“. Offen kritisierte Faeser die Regierungen von Italien und Griechenland, weil sie Flüchtlinge nicht zurücknehmen würden, für deren Asylverfahren sie zuständig seien. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen werde sie so lange anordnen, bis wieder Ordnung im europäischen Asylsystem herrsche, sagte die Ministerin.

Nancy Faeser trat gewissermaßen als Vorbotin von Olaf Scholz auf. Fragen der Migration werden nächste Woche das große Thema sein beim Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel. Und im Mittelpunkt wird der Kanzler stehen, verbunden mit der Frage: Was ist zu erwarten von der deutschen Asylpolitik nach dem Messer-Anschlag von Solingen?

Auch in Deutschland sollen Lager entstehen

Deutschland geht voran – so lautete die Botschaft Faesers in Luxemburg. Sie wolle alles daransetzen, dass die im April beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) „schnellstmöglich“ umgesetzt wird, sagte sie. Laut Plan tritt die Reform erst 2026 in Kraft, aber einige Staaten seien bereit, bestimmte Elemente vorzeitig in Kraft zu setzen, sagte Faeser. Die Ministerin nannte konkret die Schnellverfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibechance. Sie sollen in Lagern an den Grenzen festgehalten und von dort schnell wieder abgeschoben werden. Einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung in Deutschland wolle sie demnächst vorlegen, sagte Faeser.

Ein Vorziehen der großen Asylreform dürfte auch Olaf Scholz beim Gipfel fordern. Dort soll in Sachen Migration eine Art Arbeitsauftrag für die neue EU-Kommission formuliert werden. Die deutsche Regierung sei, so heißt es in Brüssel, nicht zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf der Abschlusserklärung: Darin sei zu viel davon die Rede, wie man Flüchtlinge von Europa fernhalten könne. In der EU nennt man das die „externe Dimension“ der Migration.

Olaf Scholz dürfte darauf beharren, dass auch die „interne Dimension“ erwähnt wird. Das bedeutet: Alle Staaten sollen sich an die Regeln für den Umgang mit Geflüchteten halten. Das betrifft vor allem das sogenannte Dublin-Verfahren. Es besagt, dass zuständig für ein Asylverfahren im Prinzip der Staat ist, in dem ein Geflüchteter erstmals europäischen Boden betritt, also vorwiegend Länder wie Italien und Griechenland.

Manche Regierungen wollen Asylverfahren in Afrika

Die dortigen Regierungen verweisen darauf, dieses in den Neunzigerjahren vereinbarte Prinzip gehe an den Realitäten vorbei. Ihre Länder seien von der Zahl der ankommenden Migranten überlastet. Deshalb lassen sie seit Jahren Geflüchtete weiterziehen, die in der Mehrzahl ohnehin nach Deutschland wollen. Diese „Sekundärmigration“ wurde jahrelang stillschweigend geduldet.

Die im April verabredete Asylrechtsreform verfolgt das Ziel, wieder für Ordnung zu sorgen: Durch die Schnellverfahren soll das Asylsystem entlastet werden, im Gegenzug sollen die Dublin-Regeln wieder respektiert werden. Allgemeiner Konsens bei der Verabschiedung der Reform war allerdings: Die Reform kann nur funktionieren, wenn die Zahl der nach Europa kommenden Migranten sinkt.

Grenzkontrollen, wie hier bei Kiefersfelden, will die Bundesinnenministerin so lange anordnen, bis wieder Ordnung im europäischen Asylsystem herrsche. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Immer mehr Regierungen in Europa plädieren deshalb dafür, Asylverfahren gänzlich aus Europa auszulagern. Diskutiert wird nach wie vor das „Ruanda-Modell“, also die Auslagerung nach Afrika. Auch der Plan der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, Asylverfahren in Albanien durchzuführen, findet viele Anhänger. Neuerdings kursiert die Idee, abgelehnte Asylbewerber in „Abschiebelagern“ außerhalb Europas festzuhalten, bis sie von ihren Herkunftsländern aufgenommen werden.

In der Bundesregierung hält man solche Modelle schon deshalb für weitgehend illusorisch, weil es erkenntlich keine Partnerstaaten dafür gibt. Faeser signalisierte in Luxemburg dennoch Bereitschaft, sich mit solchen Ideen zumindest zu befassen. Sie verwies darauf, die Bundesregierung lasse die Zusammenarbeit mit Drittstaaten in Migrationsfragen derzeit rechtlich überprüfen. Sie ließ zudem die Bereitschaft erkennen, die europäischen Regeln möglicherweise zu reformieren. In der aktuellen Asylrechtsreform waren der Zusammenarbeit mit Drittstaaten auf Betreiben der Ampelregierung enge Grenzen gesetzt worden.

Als Zeichen eines deutschen Einlenkens in der europäischen Asylpolitik konnte man auch werten, dass Faeser vor der Sitzung in Luxemburg mit 16 weiteren Regierungen ein Arbeitspapier zur Frage der Abschiebungen unterschrieb. Solche „Non-Papers“ dienen in der europäischen Migrationspolitik meist dazu, die Debatten über Verschärfungen des Asylrechts voranzubringen. Die Ampelkoalition hatte sich bislang meist verweigert.

Die Kommission wird in dem am Donnerstag diskutierten Papier aufgefordert, eine Neufassung der Rückführungsrichtlinie auf den Weg zu bringen. Gefordert wird, abgelehnte Asylbewerber, die sich einer Abschiebung verweigern, strenger zu behandeln. Außerdem soll die EU mehr Druck auf Regierungen ausüben, die ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollen. Europaweit können bislang nur 30 Prozent der abgelehnten Asylbewerber auch abgeschoben werden.



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